Austrian Standards Institute Präsident Walter Barfuß, Vizepräsident Harald Plöckinger und Direktorin Elisabeth Stampfl-Blaha nützten den Jahresauftakt für ein Update der Medien in Sachen Normung. Fazit: Von Normenflut kann keine Rede mehr sein, und der Sündenbock Baunormen hat ausgedient. Jedoch ließe sich Normung aus ihrer Sicht vielerorts noch stärker als strategisches Instrument nutzen, um sich damit wertvollen Zeit- und Wissensvorsprung zu verschaffen.
„Was in weiten Teilen Europas und der Welt längst genützt wird — die Kraft von Normen und der Vorsprung durch Mitgestaltung — ist in Österreich noch nicht von allen ausreichend erkannt. Teilweise dürften Vorurteile und Informationsdefizite den Blick auf das Wesentliche verstellen“, so die Direktorin von Austrian Standards, Elisabeth Stampfl-Blaha. Gemeinsam mit Präsident Walter Barfuß und Vizepräsident Harald Plöckinger nützte Sie den Rahmen einer Pressekonferenz am 14. Jänner 2015 in den Räumlichkeiten Ihrer Organisation, um mit einigen Klischees über Normung aufzuräumen.
Normenzuwachs geht zurück
Laut Stampfl-Blaha ist der Zuwachs an Normen in Österreich bereits seit dem Jahr 2011 rückläufig. Grund dafür ist, dass der Großteil des europäischen Normenwerks, das für den Aufbau eines gemeinsamen Binnenmarktes notwendig ist, weitgehend fertig gestellt ist. Insgesamt wurden im Vorjahr 1.519 ÖNORMEN veröffentlicht. Die Zahl der Neuveröffentlichung ist damit unter das Niveau von 1997 (1.602) gesunken. Gleichzeitig wurden 1.257 ÖNORMEN zurückgezogen, was unterm Strich einen Netto-Zuwachs von 262 Normen ergab (1997: 1.110). „Ein Zuwachs von 262 Normen kann angesichts der Themenvielfalt sicher nicht als Normenflut bezeichnet werden“, so Stampfl-Blaha. Der nationale Anteil an den Neuerscheinungen im Vorjahr lag ihren Angaben zufolge bei nur mehr 6,5 Prozent. Mehr als 90 Prozent aller in Österreich gültigen Normen sind inzwischen Europäische und Internationale Normen.
Sündenbock Baunormen hat ausgedient
Den Vorwurf, Normen wären Kostentreiber beim Bauen und Wohnen, lässt Stampfl-Blaha nicht gelten. Kritiker hätten nach mehrfacher Einladung eine handvoll konkreter Beispiele geliefert. „Diese werden geprüft und die Ergebnisse gegebenenfalls umgesetzt.“
Ein Beispiel sind Mehrkosten für Barrierefreiheit, die sich durch längeres selbstbestimmtes Leben im gewohnten Lebensbereich langfristig rechnen könnten. „Hier geht es um politische Willensbildung und um das stark steigende Bedürfnis nach selbstbestimmtem Leben im Alter“, konstatiert Präsident Walter Barfuß.
Vorgerechnet wurden von den Kritikern auch die ein Prozent Mehrkosten durch die ÖNORM B 8115-2 beim Bau von Wohnungen entlang extrem lauter Straßen. Die Norm empfiehlt seit 2006 eine bessere Fenster-Schalldämmung bei Außenlärmpegeln ab 61 Dezibel, damit es innen nicht lauter wird als 30 Dezibel. Lärm ist gemäß WHO der zweithäufigste krankmachende Umweltfaktor. „Es wird nun diskutiert, ob sich diese Mehrkosten rechnen. Der Sündenbock Baunormen hat auf jeden Fall ausgedient“, resumiert Elisabeth Stampfl-Blaha.
Normen sind für alle leistbar
Ins Reich der Mythen verweist Stampfl-Blaha die von der Vorarlberger Wirtschaftskammer veröffentlichte Zahl, wonach die rund 200 von Architekten und Ingenieurkonsulenten benötigten Baunormen im Summe 250.000 Euro kosteten. „Mitglieder der Bauinnungen sowie der Kammern der Architekten und Ingenieurkonsulenten können die benötigten Normen inklusive Updates seit Jahren zum Pauschalpreis von 230 Euro beziehen.“, so Stampfl-Blaha. Günstige Paketlösungen gäbe es außerdem für KMUs sowie Kommunen und für Berufsschulen wäre der Zugang zu Normen sogar gratis.
Mitgestaltung bei Normen erwünscht
Aus der Luft gegriffen ist aus Sicht vom Elisabeth Stampfl-Blaha auch der Vorwurf der Intransparenz. „Sämtliche Normen werden in einem öffentlichen und transparenten Verfahren erarbeitet. Für jeden ist einsehbar, wer sich in der Normung engagiert. Die Normungskomitees der einzelnen Fachbereiche sind für alle Interessierten offen, und jeder kann rund um die Uhr auf der Website von Austrian Standards Norm-Entwürfe lesen und online Kommentare abgeben, die in die Entwicklung der Norm einfließen.“
Mehrheit für ein unabhängiges Normungsinstitut
In der Diskussion rund um das Thema Normung aufgekeimten Rufen nach einer Privatisierung auf der einen, und einer Verstaatlichung von Austrian Standards auf der anderen Seite kontert Präsident Walter Barfuß mit dem Hinweis, dass die Organisation seit 1920 als unabhängige Institution einen transparenten Normungsprozess in Österreich sicherstelle, was den internationalen Standards für Normungsorganisationen entspräche. Auch hätten sich laut einer Umfrage des Marktforschungsunternehmens Integral im Herbst 2014 58 Prozent der österreichischen Bevölkerung dafür ausgesprochen, dass die Entwicklung von Normen von einem unabhängigen Insitut koordiniert werden soll.
Normung macht Sinn
Ebenso bestätige die Umfrage die Sinnhaftigkeit der Teilnahme an der Normung. Elisabeth Stampfl-Blaha: „90 Prozent der Befragten sind der Meinung, dass es Sinn macht, an der Normung teilzunehmen. Mehr als die Hälfte der Anwender von Normen bekundete hohes Interesse daran, selbst an einer Normen-Entwicklung teilnehmen zu wollen, doch nur 38 Prozent der Befragten wussten darüber Bescheid, dass sich jeder in den Prozess der Normung einbringen kann.“ Für die Direktorin von Austrian Standards Anlass, die Informationsarbeit über die Möglichkeiten zur Mitgestaltung noch weiter zu forcieren und den Dialog auszubauen.
Mit Standards werden Handelshemmnisse abgebaut
Last but not least verwies Vizepräsident Harald Plöckinger auf die Bedeutung von Normen als Wirtschaftsfaktor, in dem sie zum Abbau von Handelshemmnissen beitrügen und damit neue Märkte über Europa hinaus erschlossen würden. „Wenn die Wirtschaft stagniert und die Arbeitslosigkeit steigt, ist es ein Gebot der Stunde, dieses internationale Exportpotenzial voll auszuschöpfen und gleichzeitig nationale Wachstumsimpulse zu setzen, so Harald Plöckinger.
Hoher Eigenfinanzierungsanteil
Positiv bewertete Direktorin Elisabeth Stampfl-Blaha abschließend das leistungsorientierte Finanzierungssystem, das seit dem Vorjahr einen moderaten Teilnahmebeitrag für alle, die an der Normung teilnehmen, vorsieht. Es habe der Ernsthaftigkeit der Normung gut getan. Mit 450 Euro ist der Beitrag etwa halb so hoch wie in Deutschland. Austrian Standards bestreitet nunmehr rund 80 Prozent seines Gesamtbudgets von 12 Millionen Euro durch eigene Produkte und Leistungen. „Kein vergleichbares Normungsinstitut hat einen so hohen Eigenfinanzierungsanteil“, freut sich Präsident Walter Barfuß und appelliert zugleich an die beteiligten Verkehrskreise, Normung noch stärker als strategisches Instrument zu nutzen, um sich damit wertvollen Zeit- und Wissensvorsprung zu verschaffen.
- Neuer Präsident bei CENELEC - 22. Juni 2020
- Arbeitsunfallstatistik 2019 - 15. Juni 2020
- Zitat des Monats - 15. Juli 2018