Schaltschrankbau: Wer ist wofür zuständig?

Welche Aufgaben und Pflichten kommen beteiligten Personen, Abteilungen und Firmen beim Bau von Schaltschränken für Maschinen zu? 

Insbesondere das Zusammenspiel zwischen Beteiligten der mechanischen Konstruktion und den Planern der Steuerung kann Auswirkungen auf die Sicherheit einer Gesamtmaschine haben.

Neben Hinweisen zur Abteilungs- oder firmenübergreifenden Zusammenarbeit geht der nachfolgende Beitrag darauf ein, warum Schaltschränke, auch wenn sie eigens in Verkehr gebracht werden, elektrische Betriebsmittel im Sinne der Niederspannungsrichtlinie sind. Dabei wird auf die Abgrenzung zur Einstufung als Sicherheitsbauteil gemäß der Maschinenrichtlinie 2006/42/EG Bezug genommen.

Beteiligte Personen, Abteilungen und Unternehmen

Die nachfolgenden Ausführungen unterscheiden drei Rollen:

  1. Maschinenbau
  2. Steuerungsplaner
  3. Schaltschrankbau

Der Maschinenbauer ist für die mechanische Konstruktion und Fertigung der Maschine verantwortlich. Im Aufgabenbereich des Steuerungsplaners liegt die Planung und Konzeption der Steuerung. Er führt die notwendigen Berechnungen durch, wählt passende Bauteile aus und erstellt Pläne. Der Schaltschrankbauer schließlich baut den Schaltschrank anhand dieser Pläne zusammen.

Diese Rollen können von Personen oder Abteilungen innerhalb oder außerhalb eines Unternehmens wahrgenommen werden. Häufig werden bestimmte Aufgaben im Produktentstehungsprozess an externe Unternehmen ausgelagert. Unterschiedliche Kombinationen der Aufgabenteilung können somit zu unterschiedlichen rechtlichen Anforderungen der beteiligten Personen und Unternehmen führen. Aus diesem Grund ist die klare Zuordnung der Rollen besonders wichtig.

Unternehmen, die Schaltschränke herstellen, könne auch in der Rolle des Steuerungsplaners sein, unter Umständen, ohne es zu wissen. Schließen Elektrounternehmen in Eigenverantwortung an einen von ihnen geplanten und gebauten Schaltschrank zum Beispiel Motoren, Pumpen, Lüfter oder andere Komponenten an, werden sie, in vielen Fällen völlig unbewusst, zum Hersteller einer Maschine und sind somit für die Sicherheit des Gesamtgebildes verantwortlich. Vor allen vier Fälle treten in der Praxis häufig auf:

  1. Fall: Der Schaltschrank wird im Maschinenbauunternehmen geplant und gebaut
  2. Fall: Planung und Bau der Steuerung werden an ein externes Unternehmen vergeben
  3. Fall: Der Schaltschrankbauer fungiert als „verlängerte Werkbank“
  4. Fall: Der Schaltschrankbauer oder Steuerungsbauer wird zum Hersteller einer Maschine

Fall 1: Schaltschrank wird im Maschinenbauunternehmen geplant und gebaut

Hinsichtlich des öffentlich-rechtlichen Inverkehrbringens stellt dieser Fall (s. Abb. 1) die einfachste Variante dar, da nur das Endprodukt (eine Maschine) in Verkehr gebracht wird.

Maschinenrichtlinie 2006/42/EG, Anhang VIII, 3: Der Hersteller muss alle erforderlichen Maßnahmen ergreifen, damit durch den Herstellungsprozess gewährleistet ist, dass die hergestellten Maschinen (…) die Anforderungen dieser Richtlinie erfüllen.

Der Hersteller der Maschine führt ein Konformitäts-Bewertungsverfahren nach Maschinenrichtlinie durch, erstellt eine Konformitäts-Erklärung und bringt die CE-Kennzeichnung an der Maschine an.

Für den Steuerungsplaner (in diesem Fall eine Abteilung) gilt, dass die Steuerung entsprechend Anhang I, Abschnitt 1.2.1 »Risiken durch mangelnde Sicherheit« der Maschinenrichtlinie gebaut und entworfen werden muss.

Abbildung 1: Mschinenbau, Steuerungsplaner und Schaltschrankbau in einem Unternehmen © Grafik: IBF

Abbildung 1: Maschinenbau, Steuerungsplaner und Schaltschrankbau in einem Unternehmen © Grafik: IBF

Gemäß Anhang I, Abschnitt 1.5.1 »Elektrische Energieversorgung« der Maschinenrichtlinie müssen elektrische Gefährdungen vermieden werden. Dafür gelten die Schutzziele der Niederspannungsrichtlinie. In der Praxis werden zur Erreichung der Forderungen aus der Maschinenrichtlinie Normen herangezogen. Die Norm EN 60204-1 behandelt sicherheitstechnische Aspekte elektrischer Ausrüstungen von Maschinen. Für die Berechnung von sicherheitsrelevanten Steuerungen sind die Normen EN ISO 13849-1 und -2 oder EN 62061 verfügbar. Die Anforderungen an die Steuerungen (erforderlicher Performance Level gemäß EN ISO 13849 oder erforderlicher SIL gemäß EN 62061) ergeben sich aufgrund der Ergebnisse der Risikobeurteilung, die optimaler Weise von den Maschinenbau-Konstrukteuren oder in Zusammenarbeit mit ihnen durchgeführt werden.

Soll beispielsweise eine Schutztür steuerungstechnisch überwacht werden, hängen die Komplexität der Steuerung (z.B. Zweikanal-Struktur) sowie die Bauteilauswahl (z.B. MTTFd-Werte) vom Risiko-Potenzial der Gefährdung ab. Voraussetzung für die Entwicklung einer ausreichend sicheren Steuerung — und somit letztlich auch einer ausreichend sicheren Maschine — ist daher eine funktionierende Zusammenarbeit der beiden Fachabteilungen Maschinenbau und Steuerungsbau. Für den Bau des Schaltschranks gelten die gleichen Anforderungen wie für die restliche Maschine gemäß Anhang VIII, 3 (siehe oben).

Fall 2: Planung und Bau der Steuerung werden an ein externes Unternehmen übergeben

Bevor eine Maschine „in den Verkehr“ gebracht werden darf, also vor dem Betrieb oder der Benutzung (s. Zitat unten), muss der Hersteller die Sicherheit der Maschine gewährleisten.

Maschinenrichtlinie 2006/42/EG, Art. 2, h: „Inverkehrbringen“ die entgeltliche oder unentgeltliche erstmalige Bereitstellung einer Maschine oder einer unvollständigen Maschine in der Gemeinschaft im Hinblick auf ihren Vertrieb oder ihre Benutzung.

Dies beinhaltet analog zu Fall 1 auch die elektrische Sicherheit und die Tauglichkeit der Steuerung für sicherheitsrelevante Funktionen.

Abbildung 2: Planung der Steuerung und bau des Schaltschrankes in externem Unternehmen © Grafik: IBF

Abbildung 2: Planung der Steuerung und Bau des Schaltschrankes in externem Unternehmen © Grafik: IBF

Die Anforderungen der Maschinenrichtlinie gelten unabhängig davon, in welchen Konstellationen die Maschine gebaut wird. Damit eine sichere Maschine entsteht, muss das Maschinenbauunternehmen sicherstellen, dass der vom Steuerungsbau-Unternehmen gelieferte Schaltschrank die Anforderungen der Maschinenrichtlinie erfüllt. Für die Planung der sicherheitsrelevanten Funktionen der Steuerung benötigt das Steuerungsbau-Unternehmen die Unterlagen der Risikobeurteilung, deren Zurverfügungstellung sollte vertraglich vereinbart werden sollte. Aus diesen Informationen werden die Anforderungen an die Steuerung abgeleitet. Eine möglichst genaue und frühzeitige Abstimmung zwischen dem Maschinenbauunternehmen und dem Steuerungsbau-Unternehmen ist daher besonders wichtig. Insbesondere ist beiden Unternehmen zu empfehlen, den gewünschten Funktionsumfang vertraglich, zum Beispiel in Form von Lastenheften, festzuhalten.

In der Praxis zeigt sich häufig ein anderes Bild: Lastenhefte an Steuerungsbau-Unternehmen beinhalten zwar funktionelle technische Spezifikationen, sicherheitstechnisch relevante Anforderungen sind jedoch nicht definiert. Dies kann dazu führen, dass die sicherheitstechnischen Überlegungen erst zu einer späteren Projektphase stattfinden. Die Unternehmen müssen sich dann über die Zuständigkeit und über gegebenenfalls nicht budgetierte Kosten für die Konzeption und den Bau der Sicherheitsfunktionen einigen.

Inverkehrbringen des Schaltschranks

Welche Pflichten hat nun das Steuerungsbau-Unternehmen in Bezug auf den von ihm geplanten und gebauten Schaltschrank?

Der Einbau in eine Maschine befreit den Schaltschrankbauer nicht von seinen Pflichten. Er ist für ein korrektes Inverkehrbringen verantwortlich. Zu klären ist, welche EU-Richtlinie das Inverkehrbringen des Schaltschranks regelt. Abhängig von der zutreffenden Richtlinie wird das entsprechende Konformitätsberwertungsverfahren ausgeführt.

Niederspannungsrichtlinie 2014/35/EU, Art.1: Diese Richtlinie gilt für elektrische Betriebsmittel zur Verwendung bei einer Nennspannung zwischen 50 und 1.000 Volt für Wechselstrom und zwischen 75 und 1.500 Volt für Gleichstrom mit Ausnahme der Betriebsmittel und Bereiche, die in Anhang II aufgeführt sind.

Aus Sicht der Autoren sind Schaltschränke Betriebsmittel im Sinn der Niederspannungsrichtlinie 214/35/EU (s. Zitat oben). Dies deckt sich mit den Ausführungen der „Sicherheitsfibel zur Maschinensicherheit„.

Eine mögliche andere Interpretation findet sich auf der Homepage der BAuA. Dort werden Schaltschränke, sofern sie die Steuerung von Sicherheitsfunktionen von Maschinen beinhalten, als Sicherheitsbauteile im Sinn der Maschinenrichtlinie betrachtet. Zum selben Schluss kommen auch andere Argumentationen [a, b].

Maschinenrichtlinie 2006/42/EG, Art. 2, c:
„Sicherheitsbauteil“ ein Bauteil,
— das zur Gewährleistung einer Sicherheitsfunktion dient
— gesondert in Verkehr gebracht wird
— dessen Ausfall und/oder Fehlfunktion die Sicherheit von Personen gefährdet und
— das für das Funktionieren der Maschine nicht erforderlich ist oder durch für das Funktionieren der Maschine übliche Bauteile ersetzt werden kann.

Eine nicht erschöpfende Liste von Sicherheitsbauteilen findet sich in Anhang V, der gemäß Artikel 8 Abs. 1 Buchstabe a aktualisiert werden kann.

Diese stützen sich auf die Definition eines Sicherheitsbauteils entsprechend den Bestimmungen aus Art. 2, c der Maschinenrichtlinie (s. Zitat oben). Während die ersten drei Gedankenstriche der Definition des Sicherheitsbauteils auch auf Schaltschränke zutreffen, stellt sich die Frage, ob der vierte Gedankenstrich ebenfalls für Schaltschränke passend ist?

Ein Beispiel für ein Sicherheitsbauteil ist ein Not-Halt-Befehlsgerät. Dieses könnte durch einen einfachen Schalter ersetzt werden. Somit ist für das Not-Halt-Befehlsgerät auch der vierte Gedankenstrich der Definition eines Sicherheitsbauteils erfüllt. Dass ein Schaltschrank, welcher auch Sicherheitsfunktionen beinhaltet, durch einen „rein funktionalen“ Schaltschrank ersetzt werden kann, scheint eher eine theoretische Überlegung zu sein.

Techniker neigen dazu, Gesetzestexte nach dem reinen Wortlaut auszulegen. Juristisch vorrangig ist jedoch die teleologische Auslegung — also die Auslegung nach dem Sinn und Zweck einer Rechtsvorschrift. Dabei ist zu beurteilen, was der Gesetzgeber regeln wollte. Dass es beabsichtigt war, Schaltschränke (auch wenn diese Sicherheitsfunktionen beinhalten) als Sicherheitsbauteile zu betrachten, ist aus mehreren Gründen in Frage zu stellen: Die Maschinenrichtlinie nennt in Anhang V eine beispielhafte Liste von Sicherheitsbauteilen. Dort hätten Schaltschränke genannt werden können, wenn es beabsichtigt gewesen wäre, Schaltschränke als Sicherheitsbauteile zu klassifizieren. Die Kommission hat auch nicht von Artikel 8 Absatz 1 der Maschinenrichtlinie Gebrauch gemacht, dieser Liste Schaltschränke nachträglich hinzuzufügen. Zudem nennt die Maschinerichtlinie in den Ausnahmen vom Anwendungsbereich Art. 1 (2) „Niederspannungsschaltgeräte und -steuergeräte“:

Maschinenrichtlinie 2006/42/EG, Art. 1 (2):
(2) Vom Anwendungsbereich dieser Richtlinie sind ausgenommen: (…)
k) elektrische und elektronische Erzeugnisse folgender Arten, soweit sie unter die Richtlinie 73/23/EWG des Rates vom 19. Februar 1973 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedsstaaten betreffend elektrische Betriebsmittel zur Verwendung innerhalb bestimmter Spannungsgrenzen fallen:
— für den häuslichen Gebrauch bestimmte Haushaltsgeräte,
— Audio- und Videogeräte,
— informationstechnische Geräte,
— gewöhnliche Büromaschinen
— Niederspannungsschaltgeräte und -steuergeräte
— Elektromotoren

Paragraph 42 des Leitfadens zur Maschinenrichtlinie führt zu diesem Punkt aus: „Die Ausnahme von Niederspannungsschaltgeräten und -steuergeräten, wie im fünften Aufzählungspunkt in Artikel 1, Absatz 2, Buchstabe k angegeben (s. Zitat oben), gilt nicht für elektrische Sicherheitsbauteile.“

Aus dieser Aussage abzuleiten, dass Schaltschränke also nicht von der Ausnahme betroffen sind, stellt eine Zirkelschluss dar und kann somit nicht als Argument dienen. Zu dieser Ausnahme äußert sich der Leitfaden in Paragraph 68 noch genauer:

Maschinenrichtlinie 2006/42/Leitfaden zur Maschinenrichtlinie, 2. Auflage, §68

(…) Bei den Niederspannungsschaltgeräten und -steuergeräten, die im fünften Aufzählungspunkt von Artikel 1, Absatz 2, Buchstabe k aufgeführt sind, handelt es sich um Geräte für das Ein- und Ausschalten des Stromflusses in elektrischen Stromkreisen sowie um die zugehörigen Mess-, Steuer- und Regelgeräte für die Steuerung und Betätigung von elektrisch betriebenen Geräten.
Diese Geräte unterliegen als solche nicht der Maschinenrichtlinie. Wenn diese Geräte in Maschinen eingebaut werden, müssen sie die Maschinen in die Lage versetzen, die einschlägigen grundlegenden Sicherheits- und Gesundheitsschutz-Anforderungen gemäß Anhang I der Maschinenrichtlinie zu erfüllen. Es ist zu beachten, dass dieser Ausschluss nicht auf elektrische Niederspannungs-Sicherheitsbauteile anwendbar ist.

Der im obigen Zitat unterstrichene, letzte Satz weist auf den wichtigen Umstand hin, dass die Ausnahme nicht auf Sicherheitsbauteile anwendbar ist. Gemeint sind damit zum Beispiel Sicherheits-Schütze, welche Sicherheitsbauteile im Sinn der Maschinenrichtlinie sind. Die Aussage, dass auch Schaltschränke von der Ausnahme nicht betroffen sind, ist nach Ansicht der Autoren ein Zirkelschluss. Dieses Argument wäre nur unter der Prämisse gültig, dass Schaltschränke Sicherheitsbauteile sind — was ja gerade zur Diskussion steht.

Fazit zu „Schaltschrank als Sicherheitsbauteil (MRL) oder elektrisches Betriebsmittel (Nspg-RL)

Es gibt kein Urteil, welches feststellt, dass Schaltschränke Sicherheitsbauteile sind oder nicht. Somit verbleiben beide Interpretationen Einschätzungen. Wesentlich wichtiger als die Frage, welche Richtlinie für den Schaltschrank gilt oder nicht, ist einerseits die Sicherheit des Schaltschrankes für sich und andererseits die Sicherheit im Zusammenspiel mit der Maschine (s. Zitat oben, vorletzter Satz).

Abgesehen von der formalen Entscheidung, ob die Maschinenrichtlinie oder die Niederspannungsrichtlinie anzuwenden ist, ist zu entscheiden, welche Aufgaben vom Hersteller des Schaltschranks im Zuge der jeweiligen Konformitätsbewertungsverfahren zu erfüllen sind. Da mit der Niederspannungsrichtlinie 2014/35/EU seit 20. April 2016 auch für elektrische Betriebsmittel eine Risikobeurteilung durchgeführt werden muss, unterscheidet sich das Konformitätsbewertungsverfahren in beiden Fällen nur geringfügig.

Fall 3: Der Schaltschrankbauer fungiert als „verlängerte Werkbank“

Dieser Fall behandelt die Situation, dass ein Unternehmen den Schaltschrank  entsprechend genauer Angaben zusammenbaut. Die gesamte Entwicklung, inklusive des Layouts, der Auswahl der Komponenten etc., ist vom Steuerungsplaner vorgegeben.

Abbildung 3: Schaltschrankbauer als "verlängerte Werkbank" © Grafik: IBF

Abbildung 3: Schaltschrankbauer als „verlängerte Werkbank“ © Grafik: IBF

Abbildung 3 zeigt zwei mögliche Situationen: Im Fall 3a beauftragt das Maschinenbau-Unternehmen einen externen Dienstleister mit der Entwicklung der Steuerung. Dieser plant die Steuerung und er führt die sicherheitstechnischen Berechnungen (z.B. nach EN ISO 13849-1) durch. Der Bau der Steuerung wird vom Steuerungsplaner an einen ebenfalls externen Schaltschrankbauer vergeben.

Im Fall 3b befinden sich der Maschinenbau und der Steuerungsplaner im selben Unternehmen, nur der Bau des Schaltschrankes wird an ein externes Unternehmen vergeben. In beiden Fällen ist eine klare Abstimmung über den genauen Liefer- und Leistungsumfang besonders wichtig. Der Schaltschrankbauer kann in beiden Fällen nicht für das Konformitätsbewertungsverfahren zuständig sein, da alle technischen Details vom Steuerungsplaner festgelegt wurden. Der Schaltschrankbauer hat daher keinen Einfluss auf die Beschaffenheit des Schaltschranks.

Niederspannungsrichtlinie 2014/35/EU, Art. 2, 3:
„Hersteller“ — jede natürliche oder juristische Person, die ein elektrische Betriebsmittel herstellt bzw. entwickeln oder herstellen lässt und dieses elektrische Betriebsmittel unter ihrem eigenen Namen oder ihrer eigenen Handelsmarke vermarktet;

Der Schaltschrankbauer ist somit nicht „Hersteller“ des Schaltschrankes (s. Zitat oben). Allerdings ist er für die sachgemäße Installation und Verkabelung verantwortlich. Wer ist nun aber Hersteller des Schaltschrankes im Sinne der Niederspannungsrichtlinie und welche Pflichten sind damit verbunden? Ein Hersteller muss nicht zwangsläufig alle Schritte im Produktentstehungsprozess selbst durchführen. Theoretisch könnte er die gesamte Konstruktion auslagern und dennoch Hersteller sein.

Im Fall 3a plant und konzipiert der Steuerungsplaner den Schaltschrank und lagert den Zusammenbau aus. Somit ist der Steuerungsplaner Hersteller des Schaltschranks und muss das Konformitätsbewertungsverfahren für den Schaltschrank durchführen. Auch die Ausstellung der Konformitätserklärung nach Niederspannungsrichtlinie und die Anbringung der CE-Kennzeichnung am Schaltschrank ist die Aufgabe des Steuerungsplaners.

Im Fall 3b wird der Schaltschrank nicht in Verkehr gebracht, da der Hersteller des Schaltschranks das Maschinenbauunternehmen selbst ist. Dieses stellt den Schaltschrank nicht auf dem Markt bereit, sondern integriert ihn in seine eigene Maschine. Der Schaltschrank erhält daher keine CE-Kennzeichnung. In Verkehr gebracht wird die gesamte Maschine (inkl. Schaltschrank).

Das Maschinenbauunternehmen ist dafür verantwortlich, für die Maschine das Konformitätsbewertungsverfahren nach Maschinenrichtlinie durchzuführen. Teil dieses Prozesses ist auch die Durchführung einer Risikobeurteilung. Diese erstreckt sich auf die Gefährdungen des Schaltschrankes, die Anforderungen der Steuerung und alle anderen Gefährdungen im Zusammenhang mit der Maschine. Die Konformitätserklärung sowie die CE-Kennzeichnung der Maschine erfolgt im Sinne der Maschinenrichtlinie.

Wie bereits erwähnt hat der Schaltschrankbauer also in beiden Fällen keine Pflicht zur CE-Kennzeichnung. Aber Vorsicht! Häufig wägen sich Schaltschrankbauer in der vermeintlichen Rechtssicherheit der „verlängerten Werkbank“. Dies ist aber nur gegeben, wenn der Schaltschrankbauer strikt nach den Plänen und Vorgaben fertigt. Sofern der Schaltschrankbauer Entscheidungen trifft, z.B. die Auswahl von Bauteilen, ist er gegebenenfalls nicht mehr nur verlängerte Werkbank. Ob der Schaltschrankbauer nun verlängerte Werkbank ist (wegen fehlendem Einfluss auf die Konstruktion) oder Hersteller (wegen Miteinfluss auf konstruktive Entscheidungen) ist eine schwierige und verantwortungsvolle Wertungsfrage, bei der es keine vollständige Rechtssicherheit geben kann, weil im Grenzbereich auch die andere Meinung vertreten werden könnte. Die Lösung hängt von den genauen Umständen ab und ist somit von Fall zu Fall zu bewerten.

Abseits der Frage, wer nun der Hersteller des Schaltschranks ist, ergeben sich für alle beteiligten Personen Pflichten aus den allgemeinen Verkehrssicherungspflichten. Dies bedeutet, dass jeder der am Entstehungsprozess von Produkten beteiligt ist, immer alle ihm möglichen und zumutbaren Sorgfaltsmaßnahmen ergreifen muss. Beispielsweise muss der Schaltschrankbauer aus Abbildung 3 den Planer des Schaltschranks informieren, wenn während des Zusammenbaus Fehler in den Plänen (z.B. unzureichende Leiterquerschnitte, zu geringe Abstände zwischen Bauteilen, zu überfüllte Kanäle, …) entdeckt werden.

Fall 4: Schaltschrankbauer oder Steuerungsbauer wird zum Hersteller einer Maschine

In der Praxis planen und bauen Elektrounternehmen häufig Schaltschränke und schließen Komponenten an, die dazu führen, dass das Gesamtgebilde eine Maschine entsprechend Art. 2a der Maschinenrichtlinie wird (s. Zitat unten).

Maschinenrichtlinie 2006/42/EG, Art. 2a:
„Maschine“ — eine mit einem anderen Antriebssystem als der unmittelbar eingesetzten menschlichen oder tierischen Kraft ausgestattete oder dafür vorgesehene Gesamtheit miteinander verbundener Teile oder Vorrichtungen, von denen mindestens eines bzw. eine beweglich ist und die für eine bestimmte Anwendung zusammengefügt sind;  (…)

Abbildung 4: Steuerungsbauunternehmen als Maschinenhersteller © Grafik: IBF

Abbildung 4: Steuerungsbauunternehmen als Maschinenhersteller © Grafik: IBF

Das oder die Maschinenbauunternehmen, die mechanische Teile, Motoren, unvollständige Maschinen oder andere Komponenten geliefert haben, sind zu diesem Zeitpunkt nicht (mehr) vor Ort. Dadurch wird das Elektrounternehmen – in vielen Fällen völlig unbewusst – zum „Hersteller“ der Maschine, mit allen damit verbundenen Pflichten (Risikobeurteilung, technische Unterlagen zusammenstellen, CE-Kennzeichnung anbringen, Konformitätserklärung unterzeichnen …). Dies gilt unabhängig davon, ob die Installation für ein Unternehmen oder für Privatpersonen durchgeführt wird!

Besonders erwähnenswert erscheint, dass vor allem Elektro Installationsunternehmen häufig kraftbetriebene Vorrichtungen mittel Bussystemen (z.B. KNX-Bus) steuern. In diesem Fall muss das Elektrounternehmen prüfen, ob die verwendete Bus-Technologie für die gewünschte Anwendung geeignet ist.

Für den Nachweis der Sicherheit muss das Unternehmen eine Risikobeurteilung durchführen. Zusätzlich müssen die geforderten technischen Unterlagen zusammengestellt werden. Diese enthalten auch eine Betriebsanleitung sowie eine EG-Konformitätserklärung gemäß der Maschinenrichtlinie. Diese Dokumente sind nicht nur für ein rechtmäßiges Inverkehrbringen von Bedeutung. In einem möglichen Schadensfall dienen diese Unterlagen als wichtige Beweisdokumente und können zur Entlastung des Herstellers dienen. Werden beispielsweise nachträglich Manipulationen oder Änderungen durchgeführt, kann der Hersteller anhand der technischen Unterlagen beweisen, dass die Maschine zum Zeitpunkt des Inverkehrbringens sicher war.

Risikobeurteilung nach Niederspannungsrichtlinie 2014/35/EU

Wie im Artikel bereits erwähnt, verpflichtet die seit 20. April 2016 anzuwendende Niederspannungsrichtlinie zur Durchführung einer „angemessenen Risiko-Analyse und -Bewertung“. Genauere Vorgaben, an die Form und an den Prozess werden durch die Richtlinie nicht vorgegeben. Dadurch entsteht insbesondere die Frage, ob die nach Maschinenrichtlinie harmonisierte Norm EN ISO 12100 auch für Risikobeurteilungen nach Niederspannungsrichtlinie herangezogen werden kann. Diese und weitere Fragen beantwortet ein spezieller im CE-InfoService erschienene Beitrag (Ausgabe 10-2016).

Co-Autor: Als Co-Autor dieses Beitrages fungierte Rechtsanwalt Thomas Wilrich. Dr. Thomas Wilrich ist Fachanwalt in den Bereichen Produktsicherheit, Produkthaftung und Arbeitsschutz mit den Schwerpunkten Betriebsorgansiation, Vertragsgestaltung und Strafverteidigung.
Johannes Frick, BSc ETH
Letzte Artikel von Johannes Frick, BSc ETH (Alle anzeigen)

Post Your Thoughts

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.