Grazer Forschungsunternehmen sichert sich Großauftrag von Bosch

Mit dem Zuschlag für eine mehrjährige Forschungs- und Entwicklungskooperation mit der Firma Bosch Packaging Technology konnte das Grazer Forschungsunternehmen RCPE (Research Center Pharmaceutical Engineering), das als K1-Kompetenzentrum Spitzenforschung im Bereich der Prozess- und Produktoptimierung für die Pharmaindustrie betreibt und über 100 MitarbeiterInnen beschäftigt, seinen bislang größten, frei finanzierten Auftrag gewinnen. Das Ziel der Kooperation ist die Erforschung von neuen kontinuierlichen Fertigungsmethoden. Dadurch können Medikamente noch sicherer, schneller und kostengünstiger (als mit der derzeitigen Chargenproduktion) auf den Markt gebracht werden.

Ziel der Forchungskooperation von RCPE und Bosch Packaging Technology ist eine sichere, effizientere und kostengünstige Pharmaproduktion © Foto: RCPE

Ziel der Kooperation ist eine sicherere, effizientere und kostengünstigere Pharmaproduktion © Foto: RCPE

„Wir sehen in der kontinuierlichen Fertigung ein enormes Potenzial für die Herstellung fester Darreichungsformen wie beispielsweise Tabletten und Kapseln“, betont Matthias Müller, Senior Vice President Engineering, Bosch Packaging Technology. Die guten Marktaussichten begründen sich besonders im steigenden Bedarf der Pharmaindustrie an einer rascheren Markteinführung neuer Medikamente sowie an einem höheren Automatisierungsgrad, der Kosten und Zeit spart. Gleichzeit soll die Produktionsqualität erhöht und die Ausfallsrate minimiert werden. Das in anderen Branchen schon länger erprobte Verfahrensprinzip kontinuierlicher Fertigung ermöglicht dies.

Sicherer, schneller und kostengünstiger

Um die weltweite Marktstellung weiter auszubauen, entwickelt Bosch daher nun mit dem RCPE die neue Generation der Pharmafertigung in einem mehrjährigen Forschungsprojekt. „Die kontinuierliche Fertigung bringt viele Vorteile, vor allem können Produkte viel schneller produziert werden und zwar innerhalb von Stunden im Gegensatz zu Monaten beim derzeit üblichen Chargenprozess“, erklärt Prof. Johannes Khinast, wissenschaftlicher Leiter des RCPE.

Der Wegfall vieler Zwischenschritte, wesentlich kürzere Lieferketten, schnelles und flexibleres Reagieren auf Änderungen im Bedarf, und deutlich kleinere Anlagen die auch beispielsweise in Krisengebieten oder Extremsituationen schnell dezentral produzieren können, sind wesentliche Punkte, die klar für die kontinuierliche Fertigung sprechen.

„Weiters wird die Produktqualität durch die hundertprozentige Kontrolle der Produktion wesentlich gesteigert und somit zugleich die Produktivität“, erklärt Khinast. Denn in der kontinuierlichen Fertigung lässt sich permanent jeder Arbeitsschritt kontrollieren. Im Fehlerfall kann die Produktion sofort unterbrochen und der Schaden behoben werden, während beim sogenannten Batch Processing die komplette Charge unbrauchbar ist. Da auch die Regulierungsbehörden immer höhere Qualitätsstandards in der Produktion verlangen, spricht alles für diese in der Pharmaindustrie noch sehr neue Fertigungsmethode.

Weltweite Suche nach Forschungspartner in Graz erfolgreich

Die Entscheidung für RCPE fiel laut Matthias Müller nach einer intensiven weltweiten Suche aufgrund seiner einzigartigen Exzellenz in der pharmazeutischen Prozess- und Produkt-Optimierung. Das RCPE ist eines der wenigen internationalen Forschungsinstitute, die eine anerkannte, langjährige Expertise in diesem Bereich aufweisen können.

Hundertprozentige Auftragsforschung

Bei der Kooperation handelt es sich um exklusive Auftragsforschung, die zu 100 Prozent durch den Unternehmenspartner Bosch finanziert wird und Graz als international angesehenen Forschungsstandort weiter aufwertet.

Sowohl Bosch als auch das RCPE stellen für das Forschungsprojekt ein Team von Experten bereit, um in den nächsten Jahren gemeinsam die Wirkmechanismen wissenschaftlich zu erarbeiten und in physikalischen Modellen zu beschreiben. Nach der fundierten Absicherung aller Forschungsergebnisse will Bosch mit ausgereiften Produkten auf den Markt gehen. Das RCPE liefert dazu sein wissenschaftliches und regulatorisches Know-how. Rund zehn RCPE-Experten aus Bereichen wie Partikeltechnik, Simulation, Regulatoren, Prozesskontrolle, Analytik und Steuerung arbeiten an diesem zukunftsweisenden Projekt. „Seit dem Beginn unserer Zusammenarbeit haben wir das RCPE als kompetenten, professionellen und zuverlässigen Partner erlebt. Daher versprechen wir uns auch in den kommenden Jahren gute, und vor allem validierbare Ergebnisse und freuen uns auf die gemeinsamen Projekte“, sagt dazu Christian Gebauer, Projektleiter Continuous Manufacturing, Bosch Packaging Technology.

Größtes, exklusives Forschungsprojekt für das RCPE

Dass Bosch bei der weltweiten Suche nach einem geeigneten Forschungspartner schließlich das Grazer Forschungszentrum gewählt hat, ist eine Auszeichnung für das große Know-how und die hohe Qualität, die sich das RCPE seit seiner Gründung im Jahr 2008 erarbeitet hat. „Das ist für uns der größte, direkte Forschungsauftrag“, erklärt Dr. Thomas Klein, wirtschaftlicher Leiter des RCPE. Der Forschungs-Kooperationsvertrag läuft vorerst für fünf Jahre mit einer Option auf weitere fünf Jahre als Verlängerung. Schon Ende 2014 konnte das RCPE einen großen Erfolg mit dem Abschluss eines Rahmenvertrags in Millionenhöhe für eine Auftragsforschung auf dem Gebiet der Frauengesundheit mit dem texanischen Pharmaunternehmen Evestra erzielen. „Hier haben wir vor fünf Jahren mit einer ähnlichen Kooperation begonnen“, so Klein, „nun sind es schon drei Projekte und es kommen laufend neue Ideen hinzu, die neue Projekte, Umsätze und somit neue Arbeitsplätze generieren.“

Mittlerweile finanziert das RCPE seine Forschungsvorhaben zu drei Viertel mit privaten Aufträgen aus der Wirtschaft und weist damit den höchsten freifinanzierten Anteil aller Kompetenzzentren in Österreich auf. Im letzten Geschäftsjahr wurde am RCPE, das sich im Eigentum der der TU Graz, der Karl-Franzens Universität Graz und der Joanneum Research GmbH befindet, ein Umsatz von 8,5 Millionen Euro erzielt. Das Grazer Forschungszentrum hat sich durch seinen wissenschaftlichen Output (z.B. 195 referierte Papers, 275 Konferenzbeiträge, 100 Diplom- und Masterarbeiten, 30 Dissertationen) weltweit einen herausragenden Ruf erarbeitet. Hinzu kommen fünf genehmigte und 27 angemeldete Patente sowie vier Spin-offs, die weitere Impulse für den Wirtschaftsstandort Steiermark setzen.

Zur richtigen Zeit gestartet

„Wir haben mit den richtigen Themen zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort gestartet“, betont RCPE-Geschäftsführer Klein. Ein paar Jahre früher wäre das Umfeld noch nicht für die Gründung dieses Forschungszentrum bereit gewesen, ein paar Jahre danach hätte sich das RCPE heute nicht mehr als das weltweit größte Zentrum in diesem speziellen Bereich positionieren können.

Das einzigartige am Forschungszentrum in Graz ist, dass an einem Ort gleich drei wichtige Bereiche für die Pharmaindustrie abgedeckt werden können. Das beginnt bei der Simulation aller erforderlichen Prozesse und Abläufe, um Modelle und Vorhersagen zu ermöglichen, geht über die Formulierungen, also beispielsweise die Zusammensetzung für Tabletten, und umfasst auch die technische Umsetzung. „Wir können wirklich alles aus einer Hand liefern“, betont auch Khinast, „überall sonst gibt es Forschungseinrichtungen, die nur einen Bereich abdecken.“ Durch das RCPE ersparen sich die Kunden viel Zeit und Koordinierungsaufwand bei Forschungsprojekten.

TU Graz und Bosch

 Für die TU Graz, Haupteigentümer des RCPE, ist die Zusammenarbeit mit Bosch Packaging Technology ein besonderer Erfolg. Seit knapp 20 Jahren ist die TU Graz immer wieder gemeinsam mit Bosch in mittlerweile 16 EU-Projekten oder COMET-Projekten sowie Projekten der Auftragsforschung vertreten gewesen. Aktuell laufen zwei Projekte, an welchen die TU Graz und Bosch beteiligt sind. „Über den Mobilitätsbereich hinaus gelingt es durch diesen Forschungsauftrag des RCPE, die Zusammenarbeit mit Bosch auf den Pharmabereich auszudehnen. Darauf sind wir stolz“, sagt Harald Kainz, Rektor der TU Graz. „Universitäre Forschung“, so Kainz weiter, „ist ohne die intensive Vernetzung und Zusammenarbeit mit anderen Forschungseinrichtungen, der Wirtschaft und Industrie heute undenkbar geworden“. Die TU Graz ist im COMET-Programm der FFG übrigens in 29 K-Zentren oder K-Projekten aktiv und an 12 dieser Forschungsfirmen auch als Eigentümer an Bord. Dadurch wurden 1.100 hochwertige Arbeitsplätze in der Region geschaffen und es werden heute jährlich 100 Millionen Euro Erlös erwirtschaftet. Kainz: „Unsere Unternehmensbeteiligungen – wie auch jene am RCPE – sind wertvolle Instrumente, um unseren Grundsatz der aktiven Forschungszusammenarbeit und des Wissenstransfers umsetzen zu können.“ Die TU Graz ist Österreichs führende Universität in Bezug auf die Forschungskooperation von Wirtschaft und Industrie.

RCPE GmbH

Das RCPE wurde 2008 als COMET K1-Zentrum der TU Graz, der Karl-Franzens Universität Graz und der Joanneum Research GmbH gegründet. Mittlerweile beschäftigt das Unternehmen über 100 MitarbeiterInnen und arbeitet mit knapp 150 Partnern aus Industrie und Wissenschaft zusammen. Gemeinsam mit den Global Playern der Pharmaindustrie wird am RCPE Spitzenforschung im Bereich der Prozess- und Produktoptimierung betrieben. Die Schwerpunkte umfassen die Entwicklung neuer Darreichungsformen für Medikamente sowie die zugehörigen Produktionsprozesse und deren Überwachung. Neben einem erfahrenen interdisziplinären und internationalen Team sind die hervorragenden Leistungen des Zentrums auf die Nähe zu den Grazer Universitäten zurückzuführen. Als Bindeglied zwischen Industrie und Wissenschaft bietet das RCPE wirtschaftsnahe Forschung am State of the Art an.

Bosch Packaging Technology

Die Bosch Gruppe ist schon seit den 1970-er Jahren im Maschinen- und Anlagenbau für die Pharmaindustrie aktiv. Der Geschäftsbereich Bosch Packaging Technology als Anbieter von Prozesstechnologie, Füll- und Verpackungslösungen zählt heute zu den weltweit führenden Unternehmen. Im Jahr 2014 erwirtschaftete Bosch Packaging Technology mit rund 6100  Mitarbeitern an mehr als 30 Standorten in über 15 Ländern 1,18 Milliarden Euro Umsatz und bietet seinen Kunden in der Pharma-, Nahrungsmittel- und Süßwarenindustrie von einzelnen Maschinen über komplette Linien bis hin zu integrierten Systemen für die Herstellung und Verarbeitung flüssiger und fester Pharmazeutika ein breites Spektrum an Lösungen und Dienstleistungen an.

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