Kann man die Übersetzungskosten bei gleich bleibender Qualität senken und parallel den Übersetzungsprozess erheblich beschleunigen? Und das, ohne den Zeit- und Kostendruck für Übersetzer zu erhöhen? Antworten auf diese Fragen liefert ein Pilotprojekt des Übersetzungsanbieters Interlingua.
Die Maschinelle Übersetzung (MÜ), die heute für Übersetzungen mit einem hohen Qualitätsanspruch eingesetzt wird, bietet im Zusammenhang mit den eingangs aufgeworfenen Fragen viel Potential. Sie übernimmt allerdings nicht die gesamte Arbeit der Übersetzer. Vielmehr wird sie in den Übersetzungsprozess integriert und verändert dadurch den Aufgabenbereich der Übersetzer in Richtung Post-Editing.
Von Januar bis Mai 2015 hat Interlingua daher ein Pilotprojekt zum Thema Maschinelle Übersetzung durchgeführt. Ziel war es herauszufinden, inwieweit die Maschinelle Übersetzung den Ansprüchen des professionellen Übersetzungsmarktes gerecht wird.
Methode
Es wurde ein statistisches maschinelles Übersetzungssystem ausgewählt, das in ein Translation-Memory-System (TMS) integriert werden kann. Somit konnte das Post-Editing (die Nachbearbeitung der MÜ durch einen Post-Editor) ebenfalls im TMS durchgeführt werden. Diese Methode wird auch als Human-Aided Machine Translation (HAMT) bezeichnet.
Bei der Auswahl des MÜ-Systems wurde darauf geachtet, dass der Datenschutz der übersetzten Inhalte weiterhin vollständig gewährleistet werden kann.
Ablauf
Zunächst wurden die Translation Memories (TM) und Terminologiedatenbanken (TB) in der Sprachkombination Deutsch-Englisch im Fachbereich IT & Software für den MÜ-Prozess vorbereitet. Anschließend wurde eine Engine mit diesem Datenmaterial trainiert. Wichtig ist bei statistischer MÜ, dass ausreichend Datenmaterial vorhanden ist (TMs mit mindestens 10.000 Übersetzungseinheiten), da ansonsten keine gute Qualität erzielt werden kann.
Danach wurde eine kurze Probeübersetzung durchgeführt, um festzustellen, ob die Qualität der MÜ gut genug ist, um ein effizientes Post-Editing zu ermöglichen. Als Richtwert gilt, dass beim Post-Editing nicht mehr als 20 Prozent der Übersetzung geändert werden sollten. Ansonsten ist eine Humanübersetzung effizienter.
Nach erfolgreicher Durchführung der Probeübersetzung wurden schließlich zwei Beispielübersetzungen vom MÜ-System übersetzt. Es handelte sich dabei um Bedienungsanleitungen, also um sehr standardisierte Texte, deren Funktion in der schnellen und einfachen Erfassbarkeit ihres Inhalts liegt. Anschließend wurden diese Texte von einem Post-Editor bearbeitet.
Die Ergebnisse im Überblick
- Geschwindigkeit: Der Zeitaufwand für die MÜ war auch inklusive Post-Editing deutlich geringer als der für eine Humanübersetzung.
- Kostenreduktion: Aufgrund des geringeren Zeitaufwandes können wir auch unter Berücksichtigung der Anschaffungskosten und der laufenden Kosten des MÜ-Systems Übersetzungen zu einem niedrigeren Preis liefern und gleichzeitig unseren Übersetzern einen fairen Preis für ihren Zeitaufwand zahlen.
- Qualität: Die MÜ zusammen mit dem Post-Editing hat dank des ausreichenden Datenmaterials für diesen Verwendungszweck ihre Funktion sehr gut erfüllt.
Fazit
Bei standardisierten Texten mit vielen Wiederholungen, bei denen es vor allem um das schnelle Erfassen des Inhaltes geht, wie dies bei den für das Pilotprojekt verwendeten Texten der Fall war, kann MÜ kombiniert mit Post-Editing eine gute Alternative zur Humanübersetzung darstellen. Voraussetzung dafür ist, dass schon vor dem MÜ-Prozess genügend Datenmaterial vorhanden ist, um eine für das Post-Editing ausreichend gute Qualität der MÜ zu erzielen.
Falls die Texte in den Druck gehen sollen, empfiehlt sich ebenso wie bei der Humanübersetzung ein zusätzliches Lektorat. Auf diese Weise können mögliche stilistische Inkonsistenzen vermieden werden, die entstehen können, da die Übersetzungsergebnisse teilweise direkt vom MÜ-System und teilweise aus dem Translation Memory stammen.
Nina Ritschl
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