Das TÜV Austria Anlagensymposium im Schloss Seggau widmete sich dieses Jahr ganz den Risikoanalysen und Kennzahlen der Prozesssicherheit. Die Frage, die dabei im Vordergrund stand: Schauen Anlagenbetreiber nur zurück oder auch voraus?
Texas City, Buncefield, Seveso – wer sich die Bilder von diversen Zwischenfällen mit schwerwiegenden Auswirkungen ins Gedächtnis ruft, kommt um diese Fragen nicht herum: Wie konnte das passieren? Und wie minimiert man zukünftig das Risiko solch verheerender Katastrophen? Am TÜV Austria Anlagensymposium wurden Tools für Anlagen- und Prozesssicherheit diskutiert und vorgestellt. Zwei Tage lang standen die Experten den Teilnehmern der Veranstaltung im Schloss Seggau zur Verfügung, um die drängendsten Anliegen zu klären: Was müssen Kennzahlen können, welche gibt es, wie setzt man sie um?
Leading und Lagging Indicators
Im Fokus der Prozesssicherheit stehen die Leading und Lagging Indicators. Diese sind mit den Spiegeln eines Autos vergleichbar: Während man bei den Lagging Indikatoren alles im „Rückspiegel“ betrachtet und unter anderem das Ausmaß des Schadens beziffert, sieht man bei den Leading Indicators durch die „Frontscheibe“ und daher möglicherweise schon im Voraus, was passieren wird. Diese Frühindikatoren sind ein proaktiver Zugang mit positivem Einfluss auf die Prozesssicherheit – welche Kennzahlen das sein können und welche Barrieren der Sicherheit in einer Anlage dienlich sind, darüber referierten unter anderem Angelika Zartl-Klik, Senior Operations Enginnes der OMV Exploration & Produktion GmbH, Christian Hörist, Deputy Manager Process Safety Department bei der TÜV Austria Services GmbH und Konrad Fischer, Process and Plant Safety Principal Expert der Bayer Technology Services GmbH.
Der Faktor Mensch nicht außer Acht lassen
Den Faktor Mensch sollte man dabei nicht außer Acht lassen, denn die Kennzahlen von sowie die Kommunikation mit den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen tragen ebenfalls zur Datenaufbereitung bei. Die Kennzahlen im Bereich Behaviour Based Safety waren Gegenstand des Vortrages von Alexander Haidekker, Leiter des Bereichs Health, Safety, Environment der Sandoz GmbH, während sich Therese Stickler, Mitarbeiterin der Abteilung Nachhaltige Entwicklung der Umweltbundesamt GmbH, der Risiko-Kommunikation annahm und die Wahrnehmung in der Öffentlichkeit hervorhob. Denn die Risikoeinschätzung hängt oftmals von der verstandenen Botschaft ab, und ob diese ins eigene Meinungsbild passt. Das heißt, dass der Erfolg der Kommunikation stark davon abhängig ist, ob die Information zielgruppengerecht aufbereitet wurde. Im Gegensatz zu Prozessanlagen, hat im militärischen Bereich die Entwicklung von (Worst Case) Szenarien eine größere Bedeutung, die systematische Herangehensweise ist aber laut Wolfgang Czerni, Geschäftsführer der Infraprotect GmbH, vergleichbar zu der in der Prozessindustrie.
Brände lieber löschen oder besser gleich verhindern?
Der zweite Tag des TÜV Austria Anlagensymposiums stand ganz im Zeichen der Risikoanalyse. Aus Sicht der Behörde ist dabei die Nachvollziehbarkeit wichtig, um Genehmigungsverfahren voranzutreiben, so Michael Struckl, Referatsleiter für Industrieunfallangelegenheiten im Bundeministerium für Wirtschaft, Wissenschaft und Forschung, der dazu rät, bekannten Methoden der Risikoanalyse den Vorzug zu geben. Beispiele dazu brachten Peter Schwarz, Leiter des Product Stewardship bei der Sandoz GmbH, mit der Prozess Risiko Analyse PRORA, weiters Friedrich Fröschl, Gründer und Geschäftsführer der VTU Engineering GmbH, mit der speziell in der Automobilindustrie verbreiteten FMECA (Fehlerzustandsart-, Auswirkungs- und Kritizitätsanalyse) und Hans-Jürgen Essl, Verantwortlicher für Process Safety bei der Borealis Agrolinz Melamine GmbH, mit einer 6-Stufen-Analyse, die im gesamten Projektablauf Gefahren identifizieren soll. Last but not least rundete Martin Doktor, Fachbereichsleiter Anlagensicherheit bei der TÜV Austria Services GmbH, den Tag mit einem Beitrag über weitere anerkannte Methoden in der Prozessindustrie sowie passende Literaturtipps ab.
Fazit: Alle vorgestellten Tools, Methoden und proaktive Kennzahlen der Prozesssicherheit kosten Zeit und Ressourcen, dennoch sind sie im Vergleich zu einem Ausfall günstig. Und der wirtschaftliche Erfolg eines Unternehmens hängt auch davon ab, ob dieses lieber Brände löscht als Brände zu verhindern – der Sprung im Dreieck Mensch-Umwelt-Wirtschaft ist daher vielleicht etwas kleiner als vermutet.
Christian Pleschberger
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