Stehen Qualität und Wirtschaftlichkeit für die Sicherheit der Energieversorgung, insbesondere der Stromversorgung im Widerspruch zueinander? Vor welchen Herausforderungen stehen Elektrizitätswirtschaft, Wissenschaft, Industrie und Politik, damit die in Österreich sehr hohe Qualität der Stromversorgung trotz wirtschaftlichen Drucks auch künftig gewährleistet werden kann? Und welche Auswirkungen hat das auf die Konsumenten?
Fragen wie diese standen im Mittelpunkt der 52. Fachtagung der Österreichischen Gesellschaft für Energietechnik (OGE) im Österreichischen Verband für Elektrotechnik (OVE), die am 16. und 17. Oktober in Wels stattfand. Die Hauptakteure legten ihre Positionen dazu am Tag vor der Veranstaltung im Zuge eines Pressegesprächs dar.
Langfristiger Konsens zwischen Energiedienstleistern und Regulierungsbehörde gefordert
Mit nur etwa einer halben Stunde ohne Strom pro Abnehmer und Jahr haben österreichische Stromkunden eine sehr hohe Versorgungssicherheit. Damit liegt Österreich in der europaweiten Ausfalls-Statistik auf dem hervorragenden dritten Platz. Die österreichischen Verteilnetzbetreiber investieren laufend in qualitätsverbessernde beziehungsweise qualitätserhaltende Maßnahmen. Sie unterliegen jedoch einem Benchmark-System, in dem anhand eines Kostenvergleichs die Effizienz jedes Netzbetreibers ermittelt wird. Aufgrund des Resultates schreibt die Regulierungsbehörde den Netzbetreibern individuell verpflichtende Kostenreduktionen vor. Damit dieser Kostendruck nicht zu negativen Auswirkungen für den Konsumenten führt, forderte Ernst Inführ, Geschäftsführer der Wels Strom GmbH, aus Gründen der Investitionssicherheit einen langfristig tragfähigen Konsens zwischen Energiedienstleistern und der Energie-Control Austria.
Bei längerem Stromausfall droht gesellschaftlicher Totalkollaps – „Plan B“ notwendig
Herbert Saurugg ging bezüglich der Qualität der Energieversorgung sogar einen Schritt weiter. „Aus einer systemischen Gesamtsicht sind die negativen Entwicklungen im europäischen Stromversorgungssystem bereits zu weit vorangeschritten, um ein Blackout in absehbarer Zukunft ausschließen zu können“, mahnte der Koordinator der Plattform „Plötzlich Blackout!” und Leiter des Resilienz Netzwerks Österreich. „Die Stromversorgung ist eine besonders kritische Infrastruktur. Bereits nach wenigen Tagen Ausfall droht ein gesellschaftlicher Totalkollaps. Wir sind völlig abhängig von der Stromversorgung, nur vergessen wir das gerne, weil sie immer verfügbar ist“, forderte Saurugg bei Politik und Energieversorgern einen „Plan B“ ein, wie die Gesellschaft einen überregionalen und länger andauernden Stromausfall bewältigen könnte.
IKT in Energietransport und -verteilung erfordert Maßnahmen gegen Cyber-Attacken
Aus der Sicht der Informations- und Kommunikationstechnik (IKT) betrachtete Helmut Leopold, Leiter des Safety and Security Departments im AIT Austrian Institute of Technology, die Stromversorgung, denn Energietransport und Energieverteilung werden in zunehmendem Maße von IKT abhängig. Damit steigen gleichzeitig die Gefahr von Cyber-Angriffen und die Notwendigkeit, vorbeugende Maßnahmen dagegen zu setzen. „Nachdem es für Sicherheit aber kein absolutes Maß gibt und alle Gegenmaßnahmen in einen wirtschaftlichen, aber auch gesellschaftlichen Kontext zu sehen sind, ist ein intensiver Dialog aller relevanten Akteure notwendig. Das Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie (BMVIT) hat daher mit dem „Smart Grid Security Roundtable“ eine Initiative zur Diskussion der Entwicklung unserer zukünftigen Energienetze gestartet. Diese soll zur Gestaltung einer Reference Architecture for Secure Smart Grids in Austria (RASSA) führen und deren Ziele operativ umsetzen“, stellte Helmut Leopold eine aktuelle Initiative vor, deren treibende Akteure die Technologieplattform Smart Grid Austria (getragen von FEEI und Österreichs Energie), das AIT und die TU Wien sind.
Innovation und Qualität stehen in engem Zusammenhang mit Wirtschaftlichkeit
Auch die Energietechnikindustrie ist gefordert, mit ihren Produkten und ihrem Know-how dazu beizutragen, Strom möglichst effizient zu verteilen beziehungsweise zu nutzen, erläuterte Franz Chalupecky, Vorstandsvorsitzender der ABB AG Österreich, die aktuellen Herausforderungen. Mit ihren Produkten tragen die Unternehmen der Energietechnik wesentlich zu Qualität und Wirtschaftlichkeit der Branche bei, sei es durch Maßnahmen zu einer rascheren Umsetzung von Energieeinsparungen ebenso wie durch Reduktion der weltweiten CO2-Emissionen. „Innovation und Qualität stehen in einem engen Zusammenhang zur Wirtschaftlichkeit, gerade in der Energiewirtschaft“, resümierte Chalupecky.
Die technische Komponente in der Qualität der Energieversorgung
Die Qualität der Energieversorgung hat neben der wirtschaftlichen Komponente auch eine technische, wie Wolfgang Gawlik, Professor am Institut für Energiesysteme und Elektrische Antriebe der TU Wien, aufzeigte. „Ganz wesentlich sind die Qualitäten im System, wie z. B. entsprechende Schwungmasse oder die Bereitstellung von Kurzschluss-Leistung, die jedoch in wirtschaftlichen Betrachtungen keine Rolle spielen, weil es für sie keine Vergütung und keinen Markt gibt“, so Gawlik. Es ist Aufgabe der Wissenschaft, die Bedeutung dieser Qualitäten zu vermitteln und Metriken zu untersuchen, um ihren Wert zu ermitteln. Insbesondere sollte die Wissenschaft Methoden entwickeln, mit denen diese Qualitäten in einem sich grundlegend wandelnden Energiesystem dauerhaft erhalten werden können.
Mitarbeiterqualifizierung, Wissens- und Qualitätsmanagement gefragt
Damit der zunehmende Kostendruck bei den Energieunternehmen nicht automatisch zu Einbußen in der Qualität der Versorgung führt, setzen die Unternehmen zahlreiche Maßnahmen, bekräftigte Franz Hofbauer, Präsident des OVE und Vorsitzender der OGE. Wesentliche Punkte sind eine entsprechende Qualifizierung der Mitarbeiter sowie ein verbessertes Management des Wissens im Unternehmen. Zur Gewährleistung der hohen Qualität der Dienstleistungen von Energieunternehmen ist neben strukturiertem Wissensmanagement auch ein neu orientiertes Qualitätsmanagement erforderlich, das in den letzten Jahren bereits in den meisten Unternehmen eingeführt wurde“. Entscheidend ist für Franz Hofbauer weiters, Kunden für die nicht selbstverständliche quasi immer währende Verfügbarkeit von Strom zu sensibilisieren und Verständnis dafür zu schaffen, dass Qualität auch ihren Preis hat.
Fazit: Wirtschaftlichkeit erfordert Qualität
Am Ende waren sich die Referenten einig: Qualität und Wirtschaftlichkeit dürfen für die Sicherheit der Energieversorgung, insbesondere der Stromversorgung, nicht im Widerspruch stehen. Vielmehr ist Qualität ein wesentliches Kriterium, um als Unternehmen wirtschaftlich zu sein. Zwar sind qualitätsbezogene Kosten hoch, Kosten durch Vertrauensverlust der Konsumenten bei mangelnder Qualität beziehungsweise für die Wiederherstellung der Qualitätserfordernisse liegen jedoch erheblich darüber, lautete ihr Fazit.
- Neuer Präsident bei CENELEC - 22. Juni 2020
- Arbeitsunfallstatistik 2019 - 15. Juni 2020
- Zitat des Monats - 15. Juli 2018