ISO 45001 ante portas

Das „Project Committee PC 283“ der Internationalen Organisation für Normung (ISO) erarbeitet derzeit die neue Norm ISO 45001 (Anforderungen an Arbeits- und Gesundheitsschutzmanagementsysteme). Laut ISO könnte die Veröffentlichung der Norm noch im März 2018 erfolgen.

Die Frist zur Eingabe von Korrekturen des im November 2017 erschienenen ISO/FDIS 45001:2017 wurde im Jänner 2018 abgeschlossen. Da das internationale Votum dazu positiv und mit großer Zustimmung ausfiel, geht die Entwicklung der Norm nun in die abschließende Phase. Laut ISO könnte die Veröffentlichung der Norm noch im März 2018 erfolgen.

Neue Struktur

Die Norm weist die sogenannte „High Level Structure“ (HLS) auf, die nach einem Beschluss der ISO für alle neuen Managementsystem-Normen anzuwenden ist – so zum Beispiel auch für die ISO 9001:2015 oder die ISO 14001:2015.

Eine einheitliche Gliederung, die Verwendung einheitlicher Begriffe sowie Definitionen und einer einheitlichen Terminologie erleichtern es Unternehmen, ihre Zertifizierungen in einem integrierten Managementsystem zu bündeln. Darüber hinaus sorgt der einheitliche Aufbau für eine bessere Übersichtlichkeit und Anwendbarkeit der Norm.

Die nachfolgende Tabelle zeigt  den Unterschied zwischen der Struktur des ISO/FDIS 45001:2017 und der OHSAS 18001:2007.

Struktur des ISO/FDIS 45001:2017 Struktur der BS OHSAS 18001:2007
4. Kontext der Organisation (nur Titel) 4. Anforderungen an ein Arbeits- und Gesundheitsschutz- Managementsystem (nur Titel)
4.1 Verstehen der Organisation und ihres Kontextes (nur Titel)
4.2 Verstehen der Erfordernisse und Erwartungen von Beschäftigten und anderen interessierten Parteien
4.3 Festlegen des Anwendungsbereiches des A&GS-Managementsystems 4.1 Allgemeine Anforderungen
4.4 A&GS-Managementsystem 4.1 Allgemeine Anforderungen
5. Führung und Beteiligung der Beschäftigten (nur Titel) 4.4 Verwirklichung und Betrieb (nur Titel)
5.1 Führung und Verpflichtung 4.4.1 Ressourcen, Aufgaben, Verantwortlichkeit, Haftung und Befugnis
5.2 A&GS-Politik 4.2 Arbeits- und Gesundheitsschutz-Politik
5.3 Rollen, Verantwortlichkeiten und Befugnisse in der Organisation 4.4.1 Ressourcen, Aufgaben, Verantwortlichkeit, Haftung und Befugnis
5.4 Konsultation und Beteiligung von Beschäftigten 4.4.3 Kommunikation, Mitwirkung und Beratung
6. Planung (nur Titel) 4.3 Planung (nur Titel)
6.1 Maßnahmen zum Umgang mit Risiken und Chancen (nur Titel) 4.3.2 Rechtliche Verpflichtungen und andere Anforderungen

6.1.1 Allgemeines
6.1.2 Identifizierung von Gefährdungen und Bewertung von Risiken und Chancen (nur Titel)
6.1.2.1 Identifizierung von Gefährdungen 4.3.1 Gefährdungserkennung, Risikobeurteilung und Festlegung der Schutzmaßnahmen
6.1.2.2 Bewertung von A&GS-Risiken und anderen Risiken für ein A&GS-Managementsystem 4.3.1 Gefährdungserkennung, Risikobeurteilung und Festlegung der Schutzmaßnahmen
6.1.2.3 Bewertung von A&GS-Chancen und anderen Chancen für ein A&GS-Managementsystem 4.3.1 Gefährdungserkennung, Risikobeurteilung und Festlegung der Schutzmaßnahmen
6.1.3 Bestimmung gesetzlicher Vorschriften und sonstiger Anforderungen 4.3.2 Rechtliche Verpflichtungen und andere Anforderungen
6.1.4 Planung von Maßnahmen 4.3.1 Gefährdungserkennung, Risikobeurteilung und Festlegung der Schutzmaßnahmen
6.2 A&GS-Ziele und Planung zu deren Erreichung (nur Titel)
6.2.1 A&GS-Ziele 4.3.3 Zielsetzungen und Programm(e)
6.2.2 Planung zum Erreichen der A&GS-Ziele 4.3.3 Zielsetzungen und Programm(e)
7. Unterstützung (nur Titel) 4.4 Verwirklichung und Betrieb (nur Titel)
7.1 Ressourcen 4.4.1 Ressourcen, Aufgaben, Verantwortlichkeit, Haftung und Befugnis
7.2 Kompetenz 4.4.2 Fähigkeit, Schulung und Bewusstsein
7.3 Bewusstsein 4.4.2 Fähigkeit, Schulung und Bewusstsein
7.4 Kommunikation (nur Titel) 4.4.3 Kommunikation, Mitwirkung und Beratung
7.4.1 Allgemeines
7.4.2 Interne Kommunikation
7.4.3 Externe Kommunikation
7.5 Dokumentierte Information (nur Titel)
7.5.1 Allgemeines 4.4.4 Dokumentation
7.5.2 Erstellen und Aktualisieren 4.4.5 Lenkung von Dokumenten
4.5.4 Lenkung von Aufzeichnungen
7.5.3 Lenkung dokumentierter Information 4.4.5 Lenkung von Dokumenten
4.5.4 Lenkung von Aufzeichnungen
8. Betrieb (nur Titel) 4.4 Verwirklichung und Betrieb (nur Titel)
8.1 Betriebliche Planung und Steuerung (nur Titel)
8.1.1 Allgemeines 4.4.6 Ablauflenkung
8.1.2 Gefährdungen beseitigen und A&GS-Risiken verringern 4.3.1 Gefährdungserkennung, Risikobeurteilung und Festlegung der Schutzmaßnahmen
8.1.3 Änderungsmanagement 4.3.1 Gefährdungserkennung, Risikobeurteilung und Festlegung der Schutzmaßnahmen
8.1.4 Beschaffung 4.4.6 Ablauflenkung
8.1.4.1 Allgemeines
8.1.4.2 Auftragnehmer
8.1.4.3 Ausgliederung
8.2 Notfallplanung und Reaktion 4.4.7 Notfallvorsorge und Gefahrenabwehr
9. Bewertung der Leistung (nur Titel) 4.5 Überprüfung (nur Titel)
9.1 Überwachung, Messung, Analyse und Leistungsbewertung (nur Titel)
9.1.1 Allgemeines 4.5.1 Leistungsmessung und Überwachung
9.1.2 Bewertung der Einhaltung von Verpflichtungen 4.5.2 Bewertung der Einhaltung von Rechtsvorschriften
9.2 Internes Audit (nur Titel)
9.2.1 Allgemeines 9.2.2 Programm des internen Audits
9.2.2 Programm des internen Audits 4.5.5 Internes Audit
9.3 Managementbewertung
4.6 Managementbewertung
10. Verbesserung (nur Titel) 4.5.3 Vorfalluntersuchung, Nichtkonformität, Korrektur- und Vorbeugemaßnahmen (nur Titel)
10.1 Allgemeines
10.2 Vorfall, Nichtkonformität und Korrekturmaßnahmen 4.5.3.1 Vorfalluntersuchung
4.5.3.2 Nichtkonformität, Korrektur- und Vorbeugemaßnahmen
10.3 Fortlaufende Verbesserung 4.5.3.1 Vorfalluntersuchung
4.5.3.2 Nichtkonformität, Korrektur- und Vorbeugemaßnahmen
Quelle: TÜV SÜD Management Service GmbH Alle Angaben ohne Gewähr

Absehbare inhaltliche Änderungen

Die Norm befindet sich im finalen Draft-Stadium, somit sind nur noch geringfügige Änderungen möglich. Aus der High Level Structure heraus ergeben sich aber Inhalte, die ähnlich oder sogar gleich wie bei den revidierten Normen ISO 9001 und ISO 14001 sind. Das betrifft zum Beispiel den Kontext der Organisation beziehungsweise des Unternehmens. Zudem sind externe und interne Themen zum Arbeits- und Gesundheitsschutz zu berücksichtigen.

Neben den externen Personengruppen wie etwa Kunden sind explizit auch interne Personengruppen, insbesondere Beschäftigte, zu berücksichtigen. Des Weiteren wird in der ISO 45001 die Verantwortung des oberen Managements besonders hervorgehoben. Auch das ist ein Punkt, der in den revidierten Normen ISO 9001 und ISO 14001 aufgegriffen wird.

Darüber hinaus berücksichtigt die neue ISO 45001 explizit Personen, die nicht fest angestellt sind, aber unter der Verantwortung der Organisation beziehungsweise des Unternehmens tätig sind, etwa Subunternehmer – sogenannte Kontraktoren – oder auch komplett ausgelagerte Prozesse. Hierzu enthält die neue Norm eigens Unterkapitel.

Neu ist auch der Begriff „Chancen“ im Arbeits- und Gesundheitsschutz. Dabei geht es um Aspekte, die über die reine Beseitigung oder Minimierung von Arbeitsschutzrisiken und Risiken oder Belastungen für die Gesundheit hinausgehen.

Vorteile einer ISO 45001 Zertifizierung

  • Internationale Anerkennung des Arbeitsschutzmanagementsystems
  • Identifikation von Gefährdungen und deren Beseitigung
  • Wettbewerbsvorteile durch das ISO 45001-Zertifikat
  • Aufdeckung von Rationalisierungspotential
  • Laufende Verbesserung des Arbeitsschutzmanagementsystems
  • Verbesserung der Rechtssicherheit
  • Kalkulierbarkeit von Haftungsrisiken
  • Motivation aller Mitarbeiter
  • Qualifikation der Mitarbeiter

Ausblick und Empfehlung

Auch wenn mit der ISO 45001 eine ganz neue Norm entsteht – ihre Grundlagen sind zu einem großen Teil bereits in der OHSAS 18001 vorhanden und formuliert.

Für Unternehmen, die schon ein Arbeits- und Gesundheitsschutzmanagementsystem nach dem aktuellen Standard implementiert haben und engagiert in ihrem Firmenalltag leben, dürfte der Umstieg auf die ISO 45001 daher ein Leichtes sein.

Dennoch wird die ISO 45001 neue Impulse für den Arbeits- und Gesundheitsschutz in Unternehmen geben. Auch Arbeitsschutzprofis wird das neue Regelwerk neue Ansatzpunkte für weitere Prozessverbesserungen liefern – beispielsweise durch konkretisierte Forderungen hinsichtlich der Auftragnehmer und zu „mental health“. Das bedeutet: zusätzliche Chancen, um – auch die psychische – Gesundheit und Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter zu erhalten und ihre Motivation nachhaltig zu steigern.

Nachdem nun kaum noch Änderungen möglich sind, lässt der vorliegende Entwurf nun deutlich erkennen, welche grundlegenden neuen Anforderungen – zum Beispiel basierend auf der High Level Structure – und auch welche bekannten, bewährten Anforderungen an ein Arbeits- und Gesundheitsschutz-Managementsystem, in der neuen Norm ISO 45001 festgelegt sein werden.

Zu Zertifizierungsanforderungen – beispielsweise zur Überführung bestehender Zertifizierungen nach OHSAS 18001 in eine Zertifizierung nach ISO 45001 – liegen veröffentlichte internationale Regelwerke nun auch vor.

Die British Standards Institution hat angekündigt, den bisherigen Standard OHSAS 18001 drei Jahre nach einer Veröffentlichung der ISO 45001 zurückzuziehen. Damit wird in naher Zukunft die ISO 45001 der maßgebliche Standard für Arbeits- und Gesundheitsschutz-Managementsysteme sein.

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