Wie sehen österreichische Industrievertreter die 4. Industrielle Revolution – ist sie ein Trendthema oder ein Hype, der wieder vorübergeht? Im Auftrag des auf Industrie- und Prozessautomation spezialisierten Unternehmens Festo hat das österreichische Gallup Institut 200 Interviews mit Proponenten heimischer Industriebetriebe geführt. Das Trendbarometer Industriebetriebe 2015 bildet die Ergebnisse ab und gewährt interessante Einblicke.
Gefragt nach der aktuellen Auftragslage des Unternehmens im Vergleich zum Vorjahr, zeigt sich gegenüber der letzten Befragung im Jahr 2013 ein tendenziell ausgewogenes, leicht positiveres Bild: Immerhin 25 Prozent der Befragten beurteilen die Auftragslage mit „besser als im Vorjahr“(2013: 23 Prozent), 17 Prozent mit „schlechter als im Vorjahr“ (2013: 22 Prozent) und 58 Prozent sehen diese in etwa identisch zum Vorjahr (2013: 55 Prozent). Ident geblieben im Vergleich zu 2013 ist die Wachstumsplanung: Auch 2015 geben knapp drei Viertel der Befragten an, ein zukünftiges Wachstum im Unternehmen zu planen.
Neue Produkte – neue Märkte
Auf die Frage, wodurch dieses Wachstum erreicht werden soll, werden an erster Stelle neue Produkte genannt (60 Prozent), dicht gefolgt von neuen Märkten (58 Prozent), die im Rahmen der Befragung des Jahres 2013 noch an erster Stelle rangierten (65 Prozent). Überproportional zugelegt hat die Wertigkeit der Qualifikation von Mitarbeitern. Wurde eine solche 2013 nur von 37 Prozent der Befragten als Maßnahme für ein geplantes Wachstum angegeben, so ist die Qualifikation von Mitarbeitern 2015 mit 55 Prozent ganz vorne mit dabei. Weiters an Bedeutung gewonnen haben mit 36 Prozent auch Veränderungen in der Produktion (2013: 32 Prozent).
Jene Befragten, die laut eigenen Angaben für ihr Unternehmen zurzeit kein Wachstum sehen, geben dafür folgende Gründe an: schlechte wirtschaftliche Lage in der EU (38 Prozent), gesättigte Märkte (27 Prozent), fehlendes Fachpersonal (18 Prozent) und fehlendes Kapital (11 Prozent).
Standort Österreich: für viele attraktiv – aber mäßig
Erstmals abgefragt beim Trendbarometer Industriebetriebe wurde die Standort-Attraktivität Österreichs für die Industrie. Und obwohl von 72 Prozent der Befragten Österreich positiv beurteilt wird, werten den Standort nur 19 Prozent mit „sehr attraktiv“. 53 Prozent bewerten Österreich bloß als „eher attraktiv“ – 23 Prozent als „weniger attraktiv“ und 2 Prozent als „gar nicht attraktiv“.
Von den Befragten, die Östereich ein gutes Standortzeugnis ausstellen, nennen 75 Prozent als Grund die gute Infrastruktur, 74 Prozent die gut ausgebildeten Fachkräfte, 63 Prozent die hohe Rechtssicherheit und 53 Prozent die persönliche Sicherheit/geringe Kriminalität (53 Prozent). Wenig positiv bewertet werden die Förderungen (nur rund ein Viertel sieht sie als Stärke) sowie das politische Klima (20 Prozent).
Jene, die Österreich als Standort wenig bis gar nicht attraktiv finden, geben als Begründung dafür die hohen Lohnkosten an (76 Prozent). Weit abgeschlagen dahinter liegen die unfreundliche Rechtslage für wirtschaftliche Betriebe (39 Prozent), zu hohe Energiekosten (27 Prozent), zu wenig gut ausgebildetes Personal (24 Prozent), zu wenig Forschung und Entwicklung und schlechte Infrastruktur (je 6 Prozent).
Ertragreich wachsen – Produktionskosten senken – Mitarbeiter qualifizieren
Geht es um ertragreiches Wachstum, kommt den Produktionskosten große Bedeutung zu. 57 Prozent der Befragten gaben an, diese in den letzten fünf Jahren gesenkt zu haben. Der Großteil konnte dabei Einsparungen bis maximal 15 Prozent realisieren.
Die drei häufigsten Strategien für die Produktionskostensenkung (Mehrfachnennungen waren möglich) waren laut den Befragten der Einsatz neuer Technologien (49 Prozent), neue Prozesse in der Produktion (48 Prozent) und die Qualifizierung von Mitarbeitern (44 Prozent). Durch die Qualifizierung von Mitarbeitern sehen die meisten der Befragten (57 Prozent) auch für die Zukunft den stärksten Hebel für weitere Einsparungen.
Industrie 4.0 – die große Unbekannte
Ernüchternd ist das Ergebnis betreffend Industrie 4.0, deren Ziel die umfassend vernetzte, hoch flexible, sich selbst adaptierende Produktion ist. Denn auf die Frage „Sagt Ihnen der Begriff Industrie 4.0 etwas“ antwortet nicht einmal die Hälfte (47 Prozent) der Unternehmensvertreter mit Ja. Und das, obwohl Industrie 4.0 von den Medien durchwegs thematisiert wird. 53 Prozent kennen den Begriff gar nicht. In Unternehmen mit über 100 Mitarbeitern ist Industrie 4.0 zwar etwas besser bekannt, aber auch nur 55 Prozent der Befragten geläufig.
China und die USA sind bereits auf der Industrie 4.0-Überholspur
„Hier gibt es definitiv Aufklärungsbedarf. Das ist eine Aufgabe für die gesamte Industriebranche, aber auch für die Politik. Ziel muss es sein Österreich und Zentraleuropa als technisch hoch entwickelte Produktionsstandorte zu sichern. Die Breitband-Milliarde ist ein wichtiger Impuls, aber es braucht mehr. Denn China und die USA sind bereits auf der Industrie 4.0-Überholspur“, kommentiert Rainer Ostermann, Country Manager Festo Österreich, das Ergebnis.
Von den Industrievertretern, denen Industrie 4.0 ein Begriff ist, sehen 38 Prozent einen Trend, dem man Rechnung tragen muss. Für 27 Prozent bringt Industrie 4.0 eine Flexibilisierung der Produktion. Jeder Vierte bräuchte zu Industrie 4.0 noch mehr Informationen und jeder Fünfte glaubt an einen Hype, der vorübergehen wird.
Jene 38 Prozent, die in Industrie 4.0 einen Trend sehen, dem man Rechnung tragen muss, rechnen vor allem mit einer höheren IT-Vernetzung (69 Prozent), leichterer Auswertbarkeit von individuellen Daten (56 Prozent), steigendem Aus- und Weiterbildungsbedarf (53 Prozent) sowie Herausforderungen für die Logistik (53 %) und großem Investitionsbedarf (50 Prozent).
Festo selbst betrachtet den Wandel in der Produktionswelt aus unterschiedlichen Perspektiven und bezieht neben der Technologie auch weitere Aspekte wie die Interaktion zwischen Mensch und Technik sowie das Thema Ausbildung und Qualifizierung der Mitarbeiter ein. „Unser Industrie 4.0-Zugang basiert auf drei Säulen: Technologie, Mensch und Bildung – hier sehen wir spannende Aufgabenfelder. So bieten wir beispielsweise bereits heute Aus- und Weiterbildungslösungen, wie die zukunfts-orientierte Lernfabrik MPS Transfer Factory und den mobilen Lernbegleiter Tec2Screen“, erklärt Rainer Ostermann.
Weiterbildungsbedarf steigend – Weiterbildungsbudget stagnierend
Ein weiteres Ergebnis des Trendbarometers Industriebetriebe: Der Technikermangel ist auch 2015 noch ein Problem für die Unternehmen, wenn auch im Zeitvergleich über die Jahre leicht abnehmend. Um dem Technikermangel zu begegnen, setzen die Unternehmen laut Trendbarometer 2015 mit 70 Prozent am stärksten auf Qualifizierung/Umschulung bestehender Mitarbeiter, und dabei wiederum vor allem auf Trainings zu den Themen Qualität (75 Prozent), Sicherheit (74 Prozent) und Technik (73 Prozent). Dahinter rangieren Organisation (63 Prozent) und Softskills (50 Prozent), die beide auch klar die stärksten Zuwächse verzeichnen (2013: 52 und 41 Prozent).
Obwohl also Maßnahmen zur Aus- und Weiterbildung von Mitarbeitern bei der österreichischen Industrie generell hoch im Kurs stehen, hält die Entwicklung der Weiterbildungsbudgets hier nicht ganz mit. Der Großteil der Befragten (61 Prozent) geht nämlich von gleichbleibenden Investitionen im Bereich Weiterbildung aus. In der Zeitreihe betrachtet ist deutlich zu erkennen, dass die Budgets für Weiterbildung immer seltener angehoben und dem steigenden Qualifizierungsbedarf entsprechend angepasst werden.
Die pdf-Version des Trendbarometers Industriebetriebe 2015 finden Sie hier.
© Beitragsbild: WorldSkills France/SkillsAustria
- Neuer Präsident bei CENELEC - 22. Juni 2020
- Arbeitsunfallstatistik 2019 - 15. Juni 2020
- Zitat des Monats - 15. Juli 2018