Die ISO 9001:2008 unterstützte die Einführung eines Prozess-Ansatzes zur Entwicklung, Umsetzung und Verbesserung der Wirksamkeit des Qualitätsmanagement-Systems. Noch expliziter tut dies der neue Revisionsvorschlag.
Die essentiellen Anforderungen an einen prozessorientierten Management-Ansatz sind in Unterkapitel 4.4 „Qualitätsmanagement-System und dessen Prozesse“ der neuen ISO 9001, die für den Herbst 2015 erwartet wir, spezifiziert. Nun befassen sich viele Unternehmen bereits jetzt mit den zu erwartenden Änderungen, die die Vorteile des Qualitätsmanagements stärken sollen. Um die eigenen Prozesse zu optimieren und Verbesserungsansätze zu identifizieren, sollten diese ihren Status quo eruieren und den Reifegrad ihrer Prozesse ermitteln, raten Experten.
Mehr Freiheiten bei der Dokumentation von Prozessen
Die neue ISO 9001 bietet mehr Freiheiten, wenn es um die Dokumentation von Prozessen als Bestandteil des Management-Systems geht. Dies gilt für Führungs-, Strategie- und Kernprozesse sowie für unterstützende Prozesse wie Wartung und Personen-Qualifizierung. So kann für einfachste Abläufe bereits eine klare mündliche Anweisung, gekoppelt mit einer Schulungsunterlage, ausreichen. In der Regel ist jedoch eine nachvollziehbare Festlegung, zum Beispiel durch eine Checkliste oder einen elektronischen Workflow, als Orientierung für verschiedene Arbeitsschritte notwendig.
Hohe Prozessqualität sichern
Um eine hohe Prozessqualität zu sichern, definiert die neue ISO 9001 allerdings den erwarteten Reifegrad des Prozesses anspruchsvoll in acht Stufen. „Damit Firmen die Norm erfolgreich implementieren und ihre Vorteile nützen können, müssen in allen acht die jeweiligen Qualitätsmerkmale vorhanden und wirksam sein“, erklärt Ulrich Wegner, Fachlicher Leiter der Zertifizierungsstelle TÜV Süd Management Service GmbH.
Eingaben und gewünschte Ergebnisse der Abläufe festlegen
„In der ersten und zweiten Stufe müssen Unternehmen die Eingaben und gewünschten Ergebnisse ihrer Abläufe definieren sowie deren Abfolge und Wechselwirkungen zum Beispiel in einer Prozesslandkarte oder einzelnen Prozessblättern festlegen“, führt Wegner weiter aus.
Befugnisse prüfen und Ressourcenbedarf ermitteln
„Im dritten Schritt sind zudem die Verantwortlichkeiten und Befugnisse etwa mit Hilfe von Verantwortungsmatrizes zu überprüfen.“ Anschließend wird erwartet, dass Unternehmen in der vierten Stufe den Bedarf an Ressourcen – ob technologische oder personelle – ermitteln. „Wichtige Punkte sind hier Personal- und Investment-Planung, um beispielsweise bei erkennbarer Fluktuation oder geplanter Markterweiterung entsprechend reagieren zu können“, ergänzt Wegner.
Risikobasiertes Denken
Das risikobasierte Denken steht im Fokus der fünften Stufe des Prozessreifegrades. Hierfür ist zu prüfen, ob tatsächlich alle relevanten Risiken der wesentlichen Prozesse erfasst worden sind. Auch wenn viele Firmen finanzielle Wagnisse analysieren, gibt es noch weitere, wie etwa die Verfügbarkeit von Know-how-Trägern und Spezialisten oder Marktrisiken durch innovativere Wettbewerber. Kennzeichnend für ein Qualitätsmanagement nach der neuen ISO ist es, diese Risiken in einem direkten Zusammenhang mit den festgelegten Prozessen zu identifizieren. Während der Ansatz der alten ISO 9001 vorrangig auf die Vermeidung von Risiken durch präventive Maßnahmen ausgerichtet war, sind bei der überarbeiteten Version jetzt auch potenzielle Chancen zu berücksichtigen. Um diese zu erkennen, sollte sich der Blick mit Hilfe der Kontextanalyse von der eher detaillierten Prozessansicht auch auf das große Ganze und insbesondere auf die Erwartungen des Kunden und auf das Umfeld des Unternehmens richten.
Durchführung und Lenkung der Prozesse sicherstellen
In der sechsten Stufe kommt es darauf an, eine wirksame Durchführung und Lenkung der Prozesse sicherzustellen. Dafür bedarf es klarer Anweisungen bei einfachen Sachverhalten im Dienstleistungssektor oder prozessintegrierter Regelungen, zum Beispiel durch ein ERP-System, bei komplizierten Fertigungsverfahren. Je nach Komplexität sind dazu schnelle Feedback-Schleifen oder Regelkreise und eine ausreichende Kommunikation notwendig.
Beurteilung der Prozesse
Die Beurteilung der Prozesse erfolgt in Stufe sieben anhand entsprechender Bewertungs- und Messverfahren. Diese sind notwendig, wenn entsprechende technische oder personelle Risiken oder Instabilitäten identifiziert wurden und besonders, wenn es um Risiken hinsichtlich Kundenanforderungen geht. Es empfiehlt sich dabei zu prüfen, ob schon frühzeitig Anzeichen für Abweichungen vom Sollzustand erkennbar sind. Denn eine hohe Genauigkeit in den Messergebnissen hilft wenig, wenn die Ergebnisse zu spät vorliegen.
Verbesserungen gezielt anstoßen
Die aus der Prozessbewertung gewonnenen Daten lassen in der achten Stufe eine belastbare Entscheidung durch die Unternehmensleitung für erforderliche Verbesserungen zu. Durch das hohe Maß an Transparenz unterstützt das Prozessdenken nach neuen ISO 9001 Organisationen also darin, den Verbesserungsprozess gezielt anzustoßen und voranzutreiben.
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