Ist Deutschland überhaupt noch innovativ?

Ausgehend von der im Titel dieses Beitrages aufgeworfenen Frage hat die Deutsche Gesellschaft für Qualität e.V. im Jahr 2012 die Initiative „Qualitätsleitbild für Deutschland“ gestartet. Im Rahmen eines zweijährigen Diskurses mit Entscheidern aus Politik, Wirtschaft und Bildung sowie begleitet von einer  umfangreichen wissenschaftlichen Studie, erstellt in Kooperation mit dem Institut der deutschen Wirtschaft Köln, wurde daraus ein Leitbild für Qualität entwickelt. Offiziell vorgestellt wurde es vor wenigen Tagen auf dem ersten Qualitätstag der Gesellschaft in Frankfurt am Main.

Das Qualitätsleitbild fußt auf insgesamt vier zentralen Handlungsfeldern: dem Kraftfeld aus Innovation und Qualität, der Marke „Made in Germany“, dem Berufsbild des Qualitätsmanagers sowie der Qualitätskompetenz der Konsumenten.

Innovation als wichtiger Pfeiler des Qualitätsleitbildes

Qualität und Innovation © Grafik: DGQ

© Grafik: DGQ

Mit dem Kraftfeld aus Innovation und Qualität greift die DGQ die aktuelle Diskussion um die Innovationsfähigkeit Deutschlands auf: Qualität kann nicht auf Innovation verzichten, denn nur durch sie kann eine markt- und bedarfsgerechte Qualität gesichert werden. Die Abhängigkeit ist jedoch wechselseitig, denn Innovationen setzen sich andererseits nur dann durch, wenn sie die Qualitätsanforderungen der Kunden erfüllen. Eine aktuelle Studie, die die DGQ im Rahmen ihres Leitbilddiskurses in Auftrag gab, bestätigt die Wichtigkeit des Innovationsaspektes für die deutsche Wirtschaft: Acht von zehn deutschen Unternehmen (82 Prozent) sind der Meinung, dass die Fähigkeit, Innovationen hervorzubringen, in  Zukunft stärker über den Markterfolg entscheiden wird.

Das Qualitätsleitbild der DGQ gibt Unternehmen und Organisationen aber auch konkrete Impulse, wie sie das Spannungsfeld aus Innovation und Qualität optimal nutzen können:

  • Unternehmen und Organisationen sollten Risikobereitschaft zeigen und Veränderungen antizipieren, anstatt lediglich darauf zu reagieren.
  • Strukturen, Methoden und Prozesse sollten als Mittel zum Zweck verstanden werden. Unternehmen und Organisationen sollten sich an ihnen orientieren, um hochqualitative Leistungen zu erbringen. Gleichzeitig müssen sie jedoch eine gewisse Flexibilität aufweisen, um Innovationsbarrieren zu vermeiden. Insbesondere Qualitätsmanager sind in diesem Zusammenhang gefordert, die richtige Kombination aus bewährtem und vorwärts gerichtetem Denken und Schaffen zu finden.
  • Mitarbeiter sind das zentrale Innovationspotenzial im Unternehmen. Ihre Ideen sollten offen aufgenommen werden. Führungskräfte, die diese Kultur der Offenheit und Toleranz fördern, schöpfen das Innovationspotenzial ihres Unternehmens voll aus.

Neben dem Innovationsaspekt definiert die DGQ wie eingangs erwähnt drei weitere Handlungsfelder: die Marke „Made in Germany“, das Berufsfeld des Qualitätsmanagers sowie die Stärkung der Qualitätskompetenz auf Seiten der Verbraucher.

Die Marke „Made in Germany“

Die Marke "Made in Germany" © Grafik: DGQ

© Grafik: DGQ

In der Diskussion um die Marke „Made in Germany“ steht der Aspekt der Internationalität im Vordergrund. Das Markenverständnis muss vom Ort der Produktion gelöst werden. Stattdessen besteht die zukünftige Herausforderung gemäß dem neuen Leitbild darin, die Marke mit Werten der deutschen Qualitätskultur aufzuladen und das damit einhergehende Qualitätsverständnis in die weltweite Lieferkette zu tragen. Außerdem muss gewährleistet sein, dass dieses Qualitätsverständnis von allen Mitgliedern der Lieferkette in die Praxis umgesetzt wird.

Das Berufsbild des Qualitätsmanagers

Berufsbild Qualitätsmanager © Grafik: DGQ

© Grafik: DGQ

Bei diesem Prozess kommt dem Qualitätsmanager eine tragende Bedeutung zu. Seine Rolle und Kompetenzen müssen dem Leitbild entsprechend erweitert werden. Zukünftig stärkt der Qualitätsmanager den Strategie- und Kulturfaktor Qualität über die Methodenkompetenz hinaus und treibt diesen voran.

Die Qualitätskompetzenz der Verbraucher

Qualitätskompetenz der Konsumenten © Grafik: DGQ

© Grafik: DGQ

Bei der Stärkung der Qualitätskompetenz auf Verbraucherseite sieht die DGQ die deutsche Wirtschaft in der Pflicht. Diese sollte Verbraucher durch transparente und verständliche Kommunikation befähigen, gute von schlechter Qualität zu unterscheiden und diese wertzuschätzen. Des Weiteren sollte vermittelt werden, was Qualitätsarbeit für den Wirtschaftsstandort Deutschland bedeutet.

Wo steht Österreich?

Während Deutschland den Herausforderungen, denen sich das Land angesichts des zunehmend internationalen Wettbewerbs zu stellen hat, mittlerweile also mit einem Leitbild für Qualität begegnet, befindet sich Österreich zur Zeit noch in der Orientierungsphase. So diskutierte erst am 24. November 2014 eine hochkarätige Runde aus Politik, Wissenschaft und Unternehmen im Rahmen einer Enquete zum Industriestandort Österreich im Großen Saal des AK Bildungszentrums in Wien die Frage: „Wo stehen wir, wie geht es weiter?“

Österreich „verschweizern“

Dass es hierzulande einer höheren Innovationsdynamik und verstärkter Forschungsanstrengungen bedarf, scheint dabei grundsätzlich außer Streit zu stehen. Jedoch ist der Blick der Experten in dem Zusammenhang derzeit mehr gegen Westen als nach Norden gerichtet. In der Ausgabe des Nachrichtenmagazins Format vom 28. November 2014 jedenfalls spricht sich Hannes Androsch, Industrieller, Präsident des Rates für Forschung & Technologieentwicklung und bei der Enquete als Redner ebenfalls mit auf dem Podium, dafür aus Österreich zu „verschweizern“.

Christian Pleschberger

Freier Redakteur, zertifizierter Technischer Redakteur bei satz KONTOR
DI Christian Pleschberger ist Absolvent der Universität für Bodenkultur, Freier Redakteur und zertifizierter Technischer Redakteur

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