Steigende Anforderungen und Herausforderungen für Einrichtungen im Gesundheitswesen

Welche Antworten gibt es seitens der Politik, der Patienten und der Öffentlichkeit sowie durch die neue ÖNORM EN 15224:2012 für das Gesundheitswesen? So lautete die zentrale Frage beim 8. qualityaustria Gesundheitsforum am 6. November 2014 im Apothekertrakt im Schloss Schönbrunn. Ebenso beleuchtet wurden dabei die Themen Patientensicherheit und -betreuung.

V.l.n.r.: Günther Schreiber, Harald-Lothar Andel, Maria Kletečka-Pulker, Gustav Fischmeister © Foto: Quality Austria/Anna Rauchenberger

V.l.n.r.: Günther Schreiber, Harald-Lothar Andel, Maria Kletečka-Pulker, Gustav Fischmeister © Foto: Quality Austria/Anna Rauchenberger

In seinem Eingangsstatement betonte Günter Schreiber, Netzwerkpartner, Projektmanagement und Koordination Branche Gesundheit, Quality Austria, dass das Umfeld der Krankenhäuser in mehreren Dimensionen komplexer werde und präsentierte Zahlen, die ein besorgniserregendes Bild zeichnen: So ergab der Deutsche Krankenhaus-Report 2014, dass bei fünf bis zehn Prozent aller Krankenhausbehandlungen ein unerwünschtes Ereignis, wie zum Beispiel eine allergische Reaktion auf ein Medikament, eintritt — knapp die Hälfte davon könnte vermieden werden. Bei einem von 100 Patienten wird tatsächlich ein Fehler gemacht und pro Jahr lassen sich 19.000 Todesfälle auf Fehler im Krankenhaus zurückführen. Auf Österreich umgerechnet würde dies rund 2.000 tote Patienten pro Jahr bedeuten. Weiters gaben laut Schreiber in einer Studie im Auftrag der Europäischen Kommission 78 Prozent der befragten EU-Bürger an, dass sie mangelnde Patientensicherheit als ernsthafte Bedrohung sähen und befürchteten, selbst Opfer eines durch ärztliche Maßnahmen verursachten Fehlers zu werden.

Gesetzliche Anforderungen und Erwartungen der Patienten steigen

„Die gesetzlichen Anforderungen und die Erwartungen der Patienten steigen. Der Stand der Technik entwickelt sich weiter und der Wunsch nach Transparenz nimmt ebenso zu wie die Belastungen des Personals. Gleichzeitig verändern sich die Hierarchiestrukturen in den Betrieben und die Anforderungen an Führungskräfte“, so Günther Schreiber, und er warf die Frage auf, ob Managementsysteme mitwachsen und ob Lösungsansätze und Methoden, die ehedem erfolgreich waren, angesichts dieser zahlreichen Herausforderungen heute noch ausreichen würden. Seine klare Antwort darauf lautete, dass Organisationen mittels eines Qualitätsmanagement-Systems gesteuert und durch externe Organisationen überprüft werden müssen. Denn wie Zahlen aus Deutschland belegen, schneiden zertifizierte Krankenhäuser im Vergleich zu nicht zertifizierten Betrieben besser ab. Als Erweiterung gibt es neben der ISO 9001 seit Herbst 2012 die ÖNORM EN 15224:2012. Letztere wurden basierend auf der ISO 9001 speziell für das Gesundheitswesen entwickelt und setzt den Schwerpunkt auf klinische Prozesse und deren Risikomanagement. Legal Compliance, Patientensicherheit, Datenschutz und Informationssicherung werden darin stärker berücksichtigt, und auch der Aspekt der Notfallplanung und Business Continuity Management darin integriert.

 Wachsende Kluft mit ISO 9001:2015 überbrücken

V.l.n.r.: Axel Dick, Prokurist Marketing Quality Austria, Gesine Dannemaier, KTQ Kooperation für Transparenz und Qualität, Walter Titze, Tiklinik, Gerhard Bachinger, Nö. Patienten- und Pflegeanwaltschaft, Harald Lothar Andel, AKH Wien © Foto: Quality Austria/Anna Rauchenberger

V.l.n.r.: Axel Dick, Prokurist Marketing Quality Austria, Gesine Dannemaier, KTQ Kooperation für Transparenz und Qualität, Walter Titze, Tiklinik, Gerhard Bachinger, Nö. Patienten- und Pflegeanwaltschaft, Harald Lothar Andel, AKH Wien © Foto: Quality Austria/Anna Rauchenberger

Beim Punkt steigende Anforderungen hakte auch Anni Koubek, Prokuristin Innovation und Koordination der Quality Austria, ein. Sie widmete sich in Ihrem Beitrag der Frage, inwieweit die ISO 9001:2015 das Management der Veränderungen unterstützt und inwieweit sich die wachsende Kluft, die sich aus steigenden Anforderungen bei gleichbleibenden beziehungsweise schrumpfenden finanziellen und personellen Ressourcen ergibt, überbrücken lässt. Als Werkzeuge dafür stehen aus ihrer Sicht Standardisierung, fortlaufende Verbesserung und Innovation zur Verfügung. „Die neue Management-Norm ISO 9001:2015 soll unterstützen und sicherstellen, dass Veränderungen in den zunehmend komplexen, anspruchsvollen und dynamischen Umgebungen, in denen Organisationen tätig sind, reflektiert werden“, erklärte Koubek und betonte zugleich: „Mehr vom Gleichen ist nicht genug. Vielmehr müssen die Einstellungen und Kulturen im Gesamtsystem verändert werden.“

Anforderungen an die medizinisch-rechtliche Dokumentation

Der zweite Teil des Forums stand dann im Zeichen der Themen medizinisch-rechtliche Dokumentation, Patientensicherheit und Patientenbetreuung. Harald Lothar Andel, Leiter der Anästhesieambulanz am AKH Wien, widmete sich in seinem Referat dem Thema „Managen der wachsenden Anforderungen an die medizinisch-rechtliche Dokumentation.“ Dabei stellte er die gesetzlichen Grundlagen und den Umfang der Dokumentationsverpflichtung ebenso vor, wie den Umfang des Qualitätsnachweises und der Patientenaufklärung. Gerade letztere sei sehr relevant, denn: „Man kann sagen, dass bei rund 70 Prozent der Gerichtsverfahren der Patient auf Grund von Aufklärungsmangeln Recht bekommt, bei Fällen auf Grund ärztlicher Kunstfehler sind es hingegen nur zehn Prozent“, betonte Andel.

Patientensicherheit im Wandel

Das Thema „Patientensicherheit im Wandel – das Spannungsfeld zwischen Anspruch und Wirklichkeit“ beleuchtete im Anschluss Maria Kletečka-Pulker, Geschäftsführerin der österreichischen Plattform für Patientensicherheit. Sie ging dabei unter anderem der Frage nach, ob das Recht hinderlich für Patientensicherheit und Berufsausübung von Medizinern sei und thematisierte außerdem die Herausforderungen im Umgang mit Fehlern, denen man ihrer Auffassung nach nur mittels Schaffung einer Sicherheitskultur Herr werden könne. Weiters sprach Kletečka-Pulker darüber, wie nach einem Zwischenfall zu handeln sei und wie die Kommunikation mit dem Patienten und Angehörigen nach einem solchen aussehen sollte. „Patienten müssen das Gefühl haben, sich äußern zu dürfen, wenn sie der Meinung sind, dass bei ihrer Behandlung etwas schief gehen könnte oder schief gegangen ist“, lautet in dem Zusammenhang ihre Empfehlung.

Patientenbetreuung mittels Video-Dolmetsch

Last but not least stellte Gustav Fischmeister, bereichsleitender Oberarzt der Ambulanz im St. Anna Kinderspital, ein innovatives Pilotprojekt im Bereich der Patientenbetreuung anhand von praktischen Erfahrungen mit dem Video-Dolmetsch vor. Durch sprachliche Verständigungsprobleme, die bei geschätzten fünf bis zehn Prozent der Fälle auftreten, wird nicht nur die Anamnese erschwert, es stellt sich auch die Frage, wer mit den Eltern kommuniziert, sie aufklären und beruhigen kann? Laut Fischmeister hat sich der Video-Dolmetsch als gute technische Lösung erwiesen, bei der die Konzentration auf Patient und Eltern besser sei als bei physischer Anwesenheit des Dolmetschers. Fischmeister präsentiert auch Studienzahlen aus den USA, denen gemäß von 3.000 fremdsprachigen Patienten jene 40 Prozent mit Zugang zu einem Dolmetsch eine kürzere Verweildauer im Spital aufwiesen und auch weniger oft erneut aufgenommen werden mussten. Daher wäre eine solche Funktion aus seiner Sicht in Zukunft nicht nur in Spitälern, sondern auch in Apotheken, für die Exekutive, bei Sozialarbeitern und anderen Behörden wünschenswert.

Austria Gütezeichen für niedergelassene Ärzte

Zwischen dem ersten und dem zweiten Vortragsblock verliehen Hagen Pleile, Vorstandsvorsitzender der Österreichischen Arbeitsgemeinschaft zur Förderung der Qualität (ÖQA) und Gerald Bachinger, Leiter der Niederösterreichischen Patienten- und Pflegeanwaltschaft das Austria Gütezeichen für niedergelassene Ärzte an Dr. Walter Titze, Allgemeinmediziner und Facharzt für Unfallchirurgie in Unterach am Attersee. Walter Titze ist aktuell der einzige Arzt Österreichs mit dieser Auszeichnung.

Christian Pleschberger

Freier Redakteur, zertifizierter Technischer Redakteur bei satz KONTOR
DI Christian Pleschberger ist Absolvent der Universität für Bodenkultur, Freier Redakteur und zertifizierter Technischer Redakteur

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