Welche Vorteile bringt ein Qualitätsmanagement-System und kann sich auch ein 1-Mann-Unternehmen zertifizieren lassen?
Qualitätsmanagement heißt: sehr viel Bürokratie, Papierberge und zusätzlicher „unsinniger“ Aufwand. Solche oder ähnliche Kommentare sind möglicherweise auch Ihnen bereits zu Ohren gekommen oder Sie haben Rückmeldungen wie: „Das haben wir immer schon so gemacht …“ vernommen.
Die 10-er Regel der Fehlerkosten
Unabhängig davon, ob Sie in der Produktion oder im Bereich Dienstleistung tätig sind gilt: Im Ergebnis müssen die Anforderungen Ihrem Kunden entsprechen. Das Produkt muss die erwarteten Eigenschaften erfüllen und die Dienstleistung den Kunden begeistern. Die 10-er Regel der Fehlerkosten beschreibt den Umstand, dass ein Fehler weniger Kosten verursacht, wenn er frühzeitig entdeckt und behoben wird. Beispielhaft sei an dieser Stelle das Spannungsfeld zwischen Einkaufsabteilung und Produktion angeführt: Die Produktion benötigt eine spezielle Maschine mit spezifischen Merkmalen, die auch dokumentiert werden. Im Einkauf wird dann aufgrund der Vorgabe, die Einkaufskosten zu senken, zwar eine vergleichbare aber wesentlich günstigere Maschine erworben, die sich in der Folge jedoch als nicht so gut geeignet erweist. Die Freude über die Zielerreichung im Einkauf wird nicht in Verbindung mit dem erhöhten Aufwand oder den Nacharbeitskosten in der Produktion gebracht. Das typische Problem der linken und rechten Tasche.
Natürlich gibt es unterschiedliche Ausprägungen in der Auslegung und Einführung eines Qualitätsmanagement-Systems. Nebenstehend ein Beispiel, wie Stilblüten aus Überregulierungen erwachsen können.
Qualität ist alles, aber ohne Qualität ist alles nichts wert
Im Rahmen eines Vortrages von mir vor dem Gewerbeverband Vaterstetten Ende Februar dieses Jahres berichtete ein erst kürzlich zertifizierter Kleinunternehmer von seinen praktischen Erfahrungen während der Begleitung durch das von mir in seinem Unternehmen eingeführte Qualitätsmanagement-System.
Bereits ein 1-Mann-Unternehmen kann sich zertifizieren lassen, und der Aufwand sowie die Kosten dafür sind geringer als Sie denken.
Sein Fazit: Angefangen von den Prozessen bis hin zur Mitarbeiterführung konnten nachweislich erhebliche Verbesserungen erreicht werden. Das Resümee des Unternehmers lautete: Ein Qualitätsmanagement kann auch für Klein- und Kleinstunternehmen erhebliche Vorteile bringen. Bereits ein 1-Mann-Unternehmen kann sich zertifizieren lassen, und der Aufwand sowie die Kosten dafür sind geringer als Sie denken.
Zertifizierung als Chance
Ein Qualitätsmanagement-System zwingt zum Nachdenken über die Prozesse. Für den Unternehmer kann eine Zertifizierung die Chance bedeuten, neue Kundengruppen leichter zu gewinnen, wie zum Beispiel öffentliche Auftraggeber oder größere Unternehmen.
Der Aufwand und die Einführung eines Qualitätsmanagement-Systems ist – sofern zielgerichtet durchgeführt – ein überschaubares und realisierbares Projekt. Ein Qualitätsmanagement-System ist immer sinnvoll, da es ein Unternehmen dabei unterstützt, durch eine gleichbleibende beziehungsweise verbesserte Qualität seiner Produkte und Dienstleistungen, die Zufriedenheit der Kunden zu gewährleisten. Letztere kann gar nicht hoch genug geschätzt werden, denn wie eine Studie belegt, berichten unzufriedene Kunden anderen durchschnittlich 19 Mal häufiger von ihrem Erlebnis als zufriedene Kunden.
Kundenwünsche und Erwartungen zu ermitteln, die Kundenzufriedenheit zu messen und hierdurch zielgerichtet Maßnahmen abzuleiten, können helfen, eine bessere Übersicht über die Kunden und die eigenen Leistungserbringung zu erhalten.
Aus eben diesem Grund wird auch die DIN EN ISO 9001 regelmäßig überarbeitet, da im Sinn eines kontinuierlichen Verbesserungsprozesses (KVP) die Norm auch zukünftigen Anforderungen gerecht werden soll.
ISO 9001:2015 ante portas
Aktuell arbeitet die Internationale Organisation für Normung (ISO) gerade an einer großen Revision der ISO 9001:2008. Derzeit, das heißt seit dem 8. Mai 2014, liegt ein veröffentlichter Entwurf der ISO/DIS 9001:2015 zur Kommentierung vor. Der nächste Schritt ist die Veröffentlichung des Final Draft International Standard (FDIS), der bis spätestens Mai 2015 erfolgen soll.
Welche sind nun die wesentlichen Strukturänderungen des aktuellen Entwurfs der DIN EN ISO/DIS 9001:2014 im Vergleich zur Struktur der derzeit gültigen DIN EN ISO 9001:2008?
Umstellung der Struktur auf die sogenannte High Level Structure
Der aktuelle Entwurf verfolgt eine Strukturumstellung auf die sogenannte „High Level Structure“. Hintergrund ist, dass zukünftig die unterschiedlichen Managementsysteme eine identische Struktur verwenden und Inhalte sich dadurch anpassen und vergleichbarer werden. Es sollen einheitliche Begriffe, Terminologien und Kapitelstrukturen verwendet werden. Nachfolgend eine Übersicht der aktuellen Struktur im Vergleich zur derzeit Gültigen:
Struktur ISO 9001:2008 |
Struktur ISO/DIS 9001:2015 |
---|---|
1. Anwendungsbereich | 1. Anwendungsbereich |
2. Normative Verweise | 2. Normative Verweise |
3. Begriffe | 3. Begriffe |
4. Qualitätsmanagementsystem | 4. Kontext |
5. Verantwortung und Leitung | 5. Führung |
6. Management und Ressorucen | 6. Planung für das Qualitätsmanagement |
7. Produktrealisation | 7. Unterstützung |
8. Messung, Analyse und Verbesserung | 8. Betrieb |
9. Bewertung der Leistung | |
10. Verbesserung |
Durch die Einführung einer einheitlichen Struktur sind die unterschiedlichen Managementsysteme untereinander kompatibel. Obwohl jedoch die neue Struktur um zwei Kapitel erweitert wurde bedeutet dies nicht, dass sich Inhalte erweitern. Es handelt sich dabei lediglich um Umstrukturierungen der Kapitel der ISO 9001:2008.
Produkt und Dienstleistung
Die Kapitel 1 bis 3 enthalten enthalten sehr wenige Veränderungen. Dienstleistungen werden stärker eingefügt; aus der bisherigen Terminologie „Produkt“ wird nun „Produkt und Dienstleistung“. Ergänzend werden neue Begriffe eingeführt.
Gesamtheitlicher Ansatz
Im Kapitel 4 wird der gesamtheitliche Ansatz der Unternehmung stärker gefördert. Es erfolgt eine Betrachtung der gesamten Unternehmung/Organisation, sowie einer Darstellung der Erwartungen beteiligter Parteien. Im Rahmen der Norm ist die Auseinandersetzung zum Beispiel mit dem Stakeholder-Ansatz zu beschreiben. Das Verständnis eines nachhaltigen Unternehmenserfolges bezieht sich auf den Umstand, dass das Umfeld und die Marktentwicklung, sowie die Einflüsse unterschiedlicher Interessensgruppen, berücksichtigt werden müssen. Der Prozessansatz wird wesentlich stärker gefordert, sowie die Ermittlung von Risiken und Chancen.
Kundenanforderungen
In Kapitel 5 werden die Kundenanforderungen stärker in die Verantwortung für das Qualitätsmanagementsystem genommen.
Systematische Planung der Qualitätsziele
Kapitel 6 stellt die Planung des Qualitätsmanagement-Systems anhand von Chancen und Risiken in einer frühen Phase in den Fokus. Eine systematische Planung der Qualitätsziele, mit einer verbundenen Zielerreichung, muss sichergestellt werden.
Unterstützende Maßnahmen
In Kapitel 7 werden nunmehr alle unterstützenden Maßnahmen der Unternehmung beschrieben, wie zum Beispiel Mitarbeiter, Infrastruktur, Arbeitsumgebung, Messmittel und Organisationswissen. Weiterhin wird das Thema Personal um die Anforderungen „Kompetenz“ und „Awareness“ sowie interne und externe Kommunikation erweitert. Es werden die Begriffe „dokumentierte Verfahren“ und „Aufzeichnungen“ zu einem einheitlichen Begriff „dokumentierte Informationen“ zusammengefasst.
Produktrealisation
Kapitel 8 ist vergleichbar mit dem bisherigen Kapitel 7 „Produktrealisation“. In Unterpunkten gibt es stellenweise eine Gewichtung von neuen Einflüssen wie zum Beispiel die Tätigkeiten oder Leistungen aus Joint Ventures oder verbundenen Gesellschaften.
Bewertung der Leistung
Die Bewertung der Leistung in Kapitel 9 bezieht die Anforderung auf die bisherige Analyse und Messung nun auch die Anforderung, die Ergebnisse zu evaluieren. Es werden Begriffe wie „Kontrolle“ und „Bewertung“ ergänzt, um einen Mehrwert im Sinne der PDCA zu erzielen. Der Kunde wird hierbei einen wesentlichen Einfluss erzielen. Auch die internen Audits und die Managementbewertung erfährt eine Erweiterung der bisherigen Ausrichtung. Es wird die „Strategische Ausrichtung der Organisation“ und die „relevanten, interessierten Parteien und externen Anbieter“, sowie die „Bewertung von Risiken und Chancen“ auf einer strategischen Ebene gefordert.
Nichtkonformität und Korrekturmaßnahmen
Kapitel 10 wird aus dem bisherigen Kapitel acht zum eigenständigen Kapitel gemacht, um die Themen „Nichtkonformität“ und „Korrekturmaßnahmen“ zu behandeln.
Im Zusammenhang mit den hier getätigten Ausführungen ist allerdings zu beachten, dass dies alles „nur“ Auszüge aus dem bisherigen Entwurf der neuen Norm sind. Es können noch Änderungen erfolgen und die oben angegebenen Ausprägungen sind derzeit nicht in Stein gemeißelt. Was jedoch sicher ist, dass die neue Norm noch mehr auf ein Zusammenhängendes Prozessmodell ausgerichtet ist und Wechselwirkungen zwischen den Prozessen (innen und außen) stärker berücksichtigt werden müssen.
Zukünftige Updates
Über die Website der ISO können Sie ein Exemplar des ISO/DIS 9001 Standards kostenpflichtig beziehen. Die für die Entwicklung und Veröffentlichung des ISO 9001:2015 Standards verantwortliche offizielle ISO 9001:2015 Arbeitsgruppe (ISO/TC 176/SC 2) entwickelt eine Matrix, die den Zusammenhang zwischen den Bestimmungen der ISO9001:2008 und der ISO/DIS 9001:2015 darstellt. Diese wird demnächst unter www.iso.org/tc176/sc02/public zur Verfügung stehen.
Übergangszeitraum für Unternehmen
Es besteht derzeit kein Grund zur übertriebenen Hektik. Unternehmen, die bereits nach DIN EN ISO 9001:2008 zertifiziert sind, haben nach der Veröffentlichung der revisionierten Norm voraussichtlich 3 Jahre Zeit, ihr Qualitätsmangementsystem auf die neue Norm umzustellen.
© Beitragsbild: WoGi – Fotolia
- Qualitätsmanagement – Sinn oder Unsinn? - 19. März 2015