Menschen mit technisch-naturwissenschaftlicher Ausbildung – sprich: Ingenieure – sind in Führungspositionen nach wie vor eher selten anzutreffen. Dabei sind sie sehr wohl zu unternehmerischen Spitzenleistungen befähigt, wie Autor Gerfried Zeichen in seinem Buch eindrucksvoll belegt.
Eine Rezension
Spezialisten haben wir genug, doch wer bedenkt das Ganze. Gemäß diesem Motto räumt Autor Gerfried Zeichen in seinem Buch „Ingenieure an die Schalthebel“ mit dem Vorurteil auf, Techniker und Naturwissenschaftler seien als Führungskräfte unter anderem deshalb ungeeignet, weil es ihnen an Wissen in Betriebswirtschaft und Führungsmethodik oder gar an emotionaler Intelligenz mangle.
Ein komplexes Umfeld verlangt nach komplexen Persönlichkeiten
Anhand der in Kapitel 2 des Buches analysierten Unternehmen und CEOs aus unterschiedlichen Branchen, wie z.B. Maschinenbau, Elektrotechnik, Fahrzeugbau, Chemie und Elektronik, legt der ehemalige Werksleiter der Steyr Daimler Puch AG und emeritierte Universitätsprofessor der TU Wien im Gegenteil sehr überzeugend dar, dass naturwissenschaftlich fundiertes Wissen gepaart mit geeigneten „weichen“ Fähigkeiten zu unternehmerischen Spitzenleistungen befähigt. Denn Kompetenzen in den so genannten MINT-Fächern (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik) bedeuten seiner Auffassung nach selbstverständlich auch Wissen über die jeweils bestmögliche Erfüllung der Kriterien Langlebigkeit, Dauerhaftigkeit, Gründlichkeit und rationaler Materialeinsatz. Und gerade in Industrieunternehmen oder Firmen mit unterschiedlichsten internationalen Standorten müssen Führungskräfte nicht nur über Kennzahlen und Businesspläne Bescheid wissen, sondern immer öfter technische Zusammenhänge und nachhaltige Denkansätze in ihre Entscheidungen mit einbeziehen. Dabei punkten Führungsingenieure: Ihre analytische Arbeitsweise ermöglicht es, mit komplexen Fragestellungen, Unsicherheiten und Zielkonflikten unter schwierigen Rahmenbedingungen methodisch umzugehen. „Ein Ingenieur, der in der Lage ist, gute technische Lösungsmöglichkeiten zu entwickeln, wird diese auch auf nichttechnische Aufgaben übertragen können“, ist Gerfried Zeichen überzeugt.
Ausgewählte Zitate
Führen bedeutet heute das Navigieren durch ein Dickicht aus technischen und menschlichen Fehlbarkeiten.
Weitblickende Führung bedeutet Mehrdimensionalität plus Nachhaltigkeit im weitesten Sinn.
Wer in schwierigen Gelände vorankommen will, kann sich nicht auf ein Auto verlassen, das nur schnell ist.
Das Streben nach schnellen Gewinnen verhindert Nachhaltigkeit in allen Bereichen.
Zukünftig wird es die Marke „Ich“, die zu totalem Individualismus und Egoismus verführt, und die Marke „Billig“, die den bewussten Verzicht auf langfristige Qualität bewirkt, nicht mehr geben.
Die zu lange gebräuchliche Einstellung „Geld ist wichtiger als Hirn“ verliert schon deutlich an Gewicht.
Kurzfristige Erfolgsvorstellungen und turbulente Umfeld-Bedingungen verführen zu Kurzsichtigkeit und Hemmungslosigkeit.
Was die Spezies Homo sapiens von den Primaten unterscheidet ist doch die Fähigkeit des Vorausdenkens.
Risikobereitschaft ist eine unternehmerische Pflicht.
Ein Firmenchef, der mit seinem persönlichen Kapital haften muss, kann auch nachhaltiges Vertrauen von seiner Belegschaft erwarten.
Der mündige Kunde ist das beste Korrektiv.
Die fachlichen Fähigkeiten sind noch immer in naturwissenschaftlich-technisches Fachwissen und betriebswirtschaftliches Kostenrechnen unterteilt. Die Folge davon ist die Vergeudung großer Potenziale einerseits und die Notwendigkeit teurer Doppelgleisigkeiten andererseits.
Persönlichkeiten mit großem Fachwissen und hoher Qualität im persönlichen Auftritt haben die besten Voraussetzungen, um als Unternehmensführer erfolgreich zu sein.
Mit der höheren Lebenserwartung der Menschen in den entwickelten Industrie- und Informationsgesellschaften erhöhen sich nicht nur die Rentenkosten, sondern wächst auch die Weisheit.
Bibliographie
Zeichen, Gerfried: Ingenieure an die Schalthebel. Mit den Fähigkeiten der »Komplexkönner« zu unternehmerischen Spitzenleistungen.
Linde Verlag 2014, 208 Seiten, ISBN 978-3-7093-0558-4 (Hardcover),
ISBN 978-3-7094-0507-9 (E-Book), ISBN 978-3-7094-0506-2 (PDF)
Christian Pleschberger
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