Normung: Weniger ist mehr

In der aktuellen Normungsdebatte plädiert der Verein „Technische Experten für ein sicheres Österreich“ (TESÖ) für eine Versachlichung der Diskussion. Die von Politikern geortete „Packelei“ zugunsten der Industrie auf dem Rücken der Konsumenten findet nicht statt. Normungsprozesse öffentlich und basisdemokratisch durchzuführen hält TESÖ-Sprecher Leopold Schöggl theoretisch und praktisch für undurchführbar. Trotzdem gibt es Optimierungspotential, etwa im Bereich der Abstimmung von Produkt- und Prüfnormen oder in Bezug auf die Vernetzung der Stakeholder der einzelnen Normungsvorhaben.

TESÖ Obmann Dipl.-Ing. Leopold Schöggl © Foto: TÜV Austria

TESÖ Obmann Dipl.-Ing. Leopold Schöggl © Foto: TÜV Austria

„Normen sind ein wesentlicher Bestandteil der Welt, in der wir leben. Die meisten Menschen kennen ihre Schuhgröße, weil Schuhgrößen genormt sind. Auch beim Kauf eines elektronischen Gerätes, wie zum Beispiel eines Fernsehers, kann man vernünftigerweise davon ausgehen, dass sich dieses zu Hause problemlos anschließen lässt, weil sowohl die an den elektronischen Geräten angebrachten Stecker als auch die im Haushalt installierten Steckdosen gemeinsam erarbeiteten und weithin akzeptierten Normen entsprechen. Eine moderne Welt ohne Normen ist daher undenkbar“, erklärt Dipl.-Ing. Leopold Schöggl, Obmann und Sprecher des Vereins TESÖ – Technische Experten für ein sicheres Österreich.

Bedeutung der Normen für Wachstum, Wettbewerbsfähigkeit und Innovation

Aus Sicht der TESÖ sind Normen zum einen deshalb so wichtig, weil sie die Interoperabilität zwischen neuen und bereits bestehenden Produkten, Dienstleistungen und Prozessen garantieren. Sie sind also die Voraussetzung dafür, dass neue Technologien und innovative Produkte eingeführt werden können, weil sie bewirken, dass Produkte, Komponenten und Dienstleistungen auch dann miteinander vereinbar, gegenseitig austauschbar oder gleichwertig sind, wenn sie von unterschiedlichen Unternehmen stammen. Zum anderen erleichtern Normen den internationalen Handel, weil sie zur Reduzierung von technischen Handelshemmnissen beitragen. „Und nicht zuletzt können Unternehmen anhand von Normen gegenüber Behörden und Kunden leichter dokumentieren, dass ihre Produkte und Dienstleistungen den festgelegten Sicherheits-, Qualitäts- und Umweltstandards entsprechen“, so TESÖ-Sprecher Leopold Schöggl.“ Normen machen somit die Technik sicherer und leistbarer. Außerdem sind sie die Grundlage für periodische Sicherheitsüberprüfungen durch anerkannte Experten, wie den TÜV AUSTRIA“

Normung transparent und offen

Die Abwicklung der Normungsprozesse in aller Öffentlichkeit hält TESÖ Obmann Leopold Schöggl theoretisch und praktisch für undurchführbar, jedoch gewährleisten die vielfältigen Möglichkeiten der Teilhabe an Normungsprozessen aus seiner Sicht die höchstmögliche Transparenz. So etwa können Anträge zur Entwicklung von Normen auf der Website von Austrian Standards von allen interessierten Organisationen und Personen eingebracht werden. Neue Normungsprojekte können online kommentiert werden und Entwürfe zu ÖNORMEN können kostenlos im Normen-Entwurf-Portal auf der Website von Austrian Standards durchgesehen und während des öffentlichen, sechswöchigen Stellungnahmeverfahrens kommentiert werden.

Rückläufiger Normenzuwachs

Die gern zitierte Normenflut sieht TESÖ-Sprecher Leopold Schöggl nicht. Der Zuwachs an Normen ist bereits seit 2011 rückläufig. Grund dafür ist, dass der Großteil des europäischen Normenwerks, das für den Aufbau eines gemeinsamen Binnenmarktes notwendig ist, weitgehend fertiggestellt ist. 2014 betrug der Zuwachs lediglich 262 ÖNORMEN. Im Vergleich dazu war der Zuwachs im Jahr 1997 mit 1.110 Normen mehr als vier Mal so hoch.

„Zur Gänze ausschalten lässt sich eine gewisse Fluktuation trotzdem auch in Zukunft nicht, da selbst bereits bestehende Normen regelmäßig daraufhin überprüft werden müssen, ob sie angesichts inzwischen vorhandener neuer Materialien, Technologien und Prozesse noch anwendbar oder gegebenenfalls zu aktualisieren sind“, so Leopold Schöggl.

Optimierungsbedarf sieht der TESÖ-Sprecher jedoch in punkto Abstimmung von Produkt- und Prüfnormen sowie im Hinblick auf das strategische Normungsmanagement, etwa was die Vernetzung der Normungsverantwortlichen betrifft. „Nach wie vor sind die Stakeholder der einzelnen Normungsvorhaben vielerorts schlecht vernetzt und nicht immer passen Produkt- und Prüfnormen auch tatsächlich zusammen. Dabei ist Weniger gerade auch bei Normen manchmal mehr“, so Schöggl abschließend.

© Beitragsbild: gustavofrazao – Fotolia.com

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